Mariella Gronenthal ist in dieser Woche Teilnehmerin des Fachprogramms Bosnien & Herzegowina des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten. Neun Tage lang bereisen Menschen aus der Jugend- und Erwachsenenbildung Bosnien und Herzegowina, lernen Land und Leute kennen und setzen sich mit Möglichkeiten der Friedenserziehung auseinander.
„We cannot offer you any coffee, unfortunately, but we can offer you our hearts,“ so begrüßt uns Vahidin Omanovic vom Centar za Izgradnju Mira (CIM / Center for Peacebuilding) in der Kleinstadt Sanski Most. Bosnien und Herzegowina, dieses Land, das sich selbst reichlich kitschig für Touristen als „the heart-shaped country“ anpreist, kann man tatsächlich nicht nur mit dem Kopf verstehen. Ein bisschen Herz muss schon drin sein.
Die Schönheit der Landschaften und Städte, das reichliche Essen und die Freundlichkeit der Menschen nehmen uns alle für Bosnien und Herzegowina ein. Umso härter trifft die Auseinandersetzung mit den drängenden Problemen der bosnischen Gesellschaft – Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit und Armut führen zu einer massiven Abwanderung und verstärken den demographischen Wandel. „Wäre ich noch jung, ich wäre auf keinen Fall mehr hier,“ erzählt uns ein Arbeitsloser in Kljuc, dessen Frau eine Eisdiele in der Stadt betreibt. „Ich würde wieder nach Deutschland gehen, wo wir zischen 1992 und 1997 gelebt haben. Meine Firma würde mich sofort wieder nehmen. Dort ging es uns gut.“
Neben den schwierigen Lebensbedingungen ist es aber vor allem der Nationalismus, der die jungen und qualifizierten Menschen aus dem Land treibt. Sie können es nicht mehr hören, die anhaltenden Debatten über Serben, Kroaten und Bosniaken. Vom Landwirt über den Bürgermeister bis zu den politischen Aktivisten – alle sagen, dass die Spaltung zwischen Ethnien und Religionen von der Politik gemacht und perpetuiert wird. Die Menschen arbeiten gut zusammen und wollen friedlich miteinander leben. Gleichzeitig ist die Gesellschaft nach wie vor so zerrissen, dass man sich dem Thema nicht entziehen kann. Bestellt man in der mehrheitlich serbisch besiedelten Republika Srpska eine „bosanska kahfa“, den traditionellen bosnischen Kaffee, so heißt es nur mit einem Wort: „Srbija!“ – Serbien.
Auf der Perspektive eines EU-Beitritts lasten alle Hoffnungen. Die Kooperationsmöglichkeiten für die politische Bildung sind nicht zuletzt in diesem Zusammenhang vielfältig. Ich selbst fahre mit einem Notizbuch voller Ideen nach Hause. Und ein Stück Bosnien und Herzegowina im Herzen bringe ich auch wieder mit.
Mariella Gronenthal ist wissenschaftlich-pädagogische Mitarbeiterin am GESW.