von Gerhard Schüsselbauer
„Happiness is only real when shared“
(Zitat aus dem Film “Into the Wild“, 2007)
Schon 1991 erarbeitete ich zusammen mit meiner damaligen Theatergruppe „ensemble sockenschuss“ ein Theaterstück, das aus Collagen zum Thema „Glück“ bestand. Interessanterweise wurde es in der damaligen Sowjetunion vor den Toren Moskaus in einem Jugendcamp welturaufgeführt. Wenig Sprache, viel action, viele Anspielungen und jede Menge einfacher Metaphern – so sollte das etwa einstündige Theaterstück wirken, das dann auch in Deutschland mehrmals aufgeführt wurde.
Im Oktober 2018 trafen sich nun mehr als 30 Jugendliche im Alter von 14 bis 19 Jahren zu einer internationalen Begegnungswoche im Gesamteuropäischen Studienwerk e.V. zu einem ähnlichen Thema. Was bedeutet Glück für mich, für unsere Gesellschaft und auch für unser Land? Und was sind Werte europäischer Jugendlicher? Dazu lud der Kreis Herford, federführend vertreten durch die Mitorganisatorin Mareike Reuter, Jugendliche aus Lettland, Polen, Frankreich, Italien und Deutschland ein.
Was macht junge Menschen glücklich? Und welche Werte sind ihnen heute und auch in der Zukunft wichtig? Für Jugendliche ist es in allererster Linie die Freiheit, sein eigenes, selbstbestimmtes Leben in einer freiheitlichen Demokratie leben zu können. Dies bewerten die Jugendlichen als höchstes Gut. Ganz oben finden sich ebenso Wohlbefinden, Liebe und Empathie, die sich dem weitverbreiteten Hass entgegenstemmen. Geborgenheit in der Familie und Freundschaften sind weitere zentrale Aspekte des individuellen Glücks. Dass Jugendliche im Vergleich zu älteren Menschen die Gesundheit nicht als höchstes Glücksgut betrachten, liegt auf der Hand. Der Glaube spielt in der Glücksskala und Wertehierarchie bei jungen Menschen interessanterweise nur eine sehr untergeordnete Rolle. Gleichwohl bemerken die Jugendlichen über alle nationalen Grenzen hinweg, dass es auf viele kleine Momente ankommt, die das individuelle Glück ausmachen. Das Lächeln der Mutter, obwohl sie gestresst ist, nette Freunde treffen und feiern, Sportaktivitäten (individuell oder in der Gruppe) und Essen oder auch einfach nur das Glück haben, sich selbst verwirklichen zu können, was auf der Welt beileibe nicht alle Jugendlichen oder jungen Menschen von sich sagen können.
Unverkennbar ist bei den Jugendwochen, dass sich der Charakter der Begegnungsprojekte im Lauf der Zeit verändert, da immer häufiger multilaterale Projekte realisiert werden, an denen mehrere europäische Partnerstädte und Partnerregionen teilnehmen. Die Projektförderung kann über Fördermittel aus dem EU-Programm Erasmus+ gesichert werden. Die Intention ist die Vorstellung von einem zukünftigen gemeinschaftlichen Europa, das einen Gegenpol gegen unzweideutig existierende und sich verstärkende nationalistische und populistische Tendenzen bildet. Die Zukunft der Menschen in Europa wird maßgeblich von ihrem eigenen Engagement abhängen, sich für ihr eigenes freiheitliches Glück in einer demokratischen Ordnung einzusetzen.
Dr. Gerhard Schüsselbauer ist Institutsleiter und wissenschaftlich-pädagogischer Mitarbeiter am GESW. Er leitet die Jugendwoche in Zusammenarbeit mit dem Kreis Herford.