Russische Atomkriegshetzer

Dr. Zbigniew Wilkiewicz

Die Ankündigung etlicher Nato-Staaten Kampfpanzer in die Ukraine zu liefern, hat die Aggressivität der Premiumkremlpropagandisten Wladimir Solowjow (Talkmaster auf Kanal Rossija 1) und Margarita Simonjan (Chefredakteurin der Propagandazentrale Rossija Sewodnja) neu befeuert. Bereits Ende April 2022 schwadronierten die beiden ausgelassen über einen globalen Atomkrieg, der als Folge einer militärischen Niederlage Russlands gegen die Ukraine und den „kollektiven Westen“ immer wahrscheinlicher werde. (Michael Thumann: Revanche. Wie Putin das bedrohlichste Regime der Welt geschaffen hat. München 2023, S.109-125)

Inzwischen ist die „militärische Spezialoperation“ auch für die russischen Führung zu einem „heiligen Krieg“ gegen den „kollektiven Westen“ mutiert, der nicht nur gegen eine „faschistische“ Ukraine, sondern auch gegen ein „faschistisches“ Deutschland und eine „faschistische“ USA geführt wird. Sämtliche Einschüchterungs- und Erpressungsversuche Putins, um die Einheit des Westens zu zerstören, sind bislang gescheitert.

Der seit Monaten anhaltende brutale Vernichtungskrieg des inzwischen abberufenen Kriegsverbrechers General Surowikin hat den Widerstandswillen der Ukraine nicht brechen können, die militärischen „Erfolge“ der russischen Vorstöße im Donbass wurden durch exorbitant hohe Menschenopfer auf russischer Seite erkauft.

Auch der Versuch, Europa mit der Drosselung und schließlich Einstellung von Gaslieferungen zu erpressen und wirtschaftlich in die Knie zu zwingen, kann als gescheitert gelten.

Ebenso ist es trotz großer propagandistischer Anstrengungen und Einflussnahmen nicht gelungen, die noch immer in Europa und besonders in Deutschland stark vertretenen Russlandversteher noch stärker zu machen.

Seit den erfolgreichen ukrainischen Offensiven im September und Oktober 2022 ist überdies deutlich geworden, dass die Ukraine bei Lieferung moderner schwerer Waffen durchaus die Fähigkeit besitzt, russisch besetzte Territorien zurückzuerobern. Die Versicherungen Putins und Medwedjews, dass die Abrams und Leos an der Front keinen Unterschied machen und brennen würden, werden durch die Aussagen seriöser russischer Militärexperten konterkariert. Die Ankündigung des Westens, die Ukraine auch nachhaltig und langfristig militärisch mit westlichem Gerät unterstützen zu wollen, stellt eine inzwischen erhebliche Herausforderung für die russischen Angreifer dar, denn die russische Armee erweist sich in vielerlei Hinsichten ihren Aufgaben nicht gewachsen.

Inzwischen appelliert die russische Führung angesichts eines angeblich von der Nato gegen Russland geführten Angriffskriegs an den Patriotismus und die Opferbereitschaft der Russen. Vergleiche zum Großen Vaterländischen Krieg sind an der Tagesordnung, genauso wie offiziell verordneter Hass auf den „kollektiven Westen“ und das geradezu exhibitionistische Hantieren mit propagandistischen Allmachts- und Vernichtungsphantasien. Man täusche sich nicht: Putin hat dem gesamten Westen schon vor Jahren den totalen Krieg erklärt und ermutigt seine Lautsprecher, die mit einer seit vielen Jahren gut geölten und gut bezahlten Propagandamaschinerie ausgestattet sind, alltäglich apokalyptische Endzeitszenarien zu suggerieren. Damit soll einerseits die eigene Bevölkerung auf einen langen, entbehrungsreihen, aber „gerechten“ und „heiligen“ Krieg eingestellt werden, andererseits erhofft man sich durch die Androhung von Atomschlägen die westlichen Verbündeten zu spalten und die Ukraine zum Einlenken – sprich zur Aufgabe oder Relativierung ihrer völkerrechtlich legitimen Kriegsziele – zu bewegen. Fake-News, absurde Verdrehungen, bizarre, vollkommen aus der Luft gegriffene Behauptungen werden mit Hetze, Hassbotschaften und der Aufstachelung zu brutalen Revanchegedanken verbunden.

So auch in der unten zusammengefassten Propagandasendung von Wladimir Solowjow, die vor einigen Tagen im 1. Kanal ausgestrahlt wurde und mangels Alternative die Mehrzahl russischer Fernsehzuschauer erreicht haben dürfte.

Wladimir Solowjow, der Chefpropagandist Putins im russischen Staatsfernsehen, kann sichtlich nicht verschmerzen, dass Russland noch keine Atomwaffen gegen die „Nazihauptstädte“ eingesetzt hat. Die Fernsehauftritte Solowjows werden immer dramatischer. Sein am 26. Januar im Staatsfernsehen ausgestrahltes donnerstägliches Monodrama im Rahmen des Programms „Voller Kontakt“ gibt davon Zeugnis.

Im Zusammenhang mit der von westlichen Staaten angekündigten Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine, versicherte Solowjow, dass dies erst der Anfang sei. „Sie werden alles liefern. Ich sage das schon seit geraumer Zeit. Diese Mistkerle werden auch noch zu unseren Lebzeiten Hitler rehabilitieren (…) Der Dritte Weltkrieg ist im Gange und der Westen hat zu seinen nazistischen Wurzeln zurückgefunden. Die Deutschen haben es satt, ihre nazistische Natur zu verbergen, Amerika hat sich schließlich offen zu seinem nazistischen Charakter bekannt. (…) Europa wird von solchem Abschaum wie Borrell, Scholz, Baerbock okkupiert. Das sind nazistische Nullen! Sie schicken Panzer, damit sie russische Soldaten auf russischem Territorium töten“ – wetterte Solowjow.

Deutschland nannte er das „Vierte Reich, das von seinen amerikanischen Besitzern aufgehetzt wird“. Solowjow bezeichnete die Amerikaner als „gerissene Lügner“ und meinte, dass Russland selbst für die amerikanische Arroganz verantwortlich sei: „Wir bedrohen sie nicht. Wir führen keine Angriffe auf New York durch, wie greifen Washington nicht an, wir bedrohen Miami nicht, wir tun nichts, was die Amerikaner einschüchtern könnte. Sie haben unsere Pipelines gesprengt, und wir sind zur Tagesordnung übergegangen. Sie liefern Panzer, und wir gehen zur Tagesordnung über. Man muss aufhören über rote Linien zu sprechen! Das ist eine absolut inhaltsleere, bedeutungslose Phrase.“

Absolut aufgebracht fuhr er fort: „Berlin, Paris, Madrid, London, Washington sollten brennen! Die Hauptstädte der Nazistaaten, die sich für den Krieg gegen Russland entschieden haben (…) Warum wurde Kiew nicht von der Erdoberfläche getilgt, nachdem die nazistische Ukraine unseren strategischen Luftwaffenstützpunkt angegriffen hatte? Hört damit auf, bei leeren, wertlosen Wörtern Zuflucht zu suchen!“

Danach forderte er unverhohlen den Einsatz von Atomwaffen: „Man führt Angriffe gegen unsere Städte durch! Gegen unser Land! Russische Soldaten sterben! Russen sterben! Die Nazis freuen sich! Wie haben wir vor zu reagieren? Indem wir losheulen, dass es am wichtigsten sei, einen Atomkrieg zu verhindern? Wozu zum Teufel haben wir denn die Arsenale an taktischen und strategischen Atomwaffen? Fürchten wir uns davor, sie einzusetzen?“

Weiter brüllte er, dass die Vernichtung der Infrastruktur der Ukraine zu wenig sei. „Warum existieren Odessa, Charkiw und Dnjepropetrowsk noch?“ – fragte er. „Wir stehen nicht mehr vor Kiew! War das eine verfluchte Geste guten Willens? War Charkiw eine Geste guten Willens? Niemand wurde wegen der Nichteinnahme von Charkiw an die Wand gestellt! Niemand wurde in den Ruhestand geschickt zumindest nicht öffentlich. Die Gesellschaft hat keine Antworten auf ihre Fragen erhalten. Ich frage mich, warum rückte die Frontlinie näher an Belgorod heran? Noch immer sind wir nicht in diese Positionen zurückgekehrt Die Antwort ist – Stille. Stille…“

Ferner forderte Solowjow die „Vernichtung der Feinde auf ihrem Territorium“: „Die Bürger der Nato-Staaten sollten sich nicht sicher fühlen, während die Russen leiden… Bürger! Man hat uns den Krieg erklärt. Wacht auf! Wacht auf“ – rief er aus.

Weder nannte der Chefpropagandist Putin noch irgendwen aus dessen Entourage beim Namen, aber seine Tirade ließ sich durchaus als eine Kritik an der Staatsführung verstehen. Andererseits sollte sie – ähnlich wie zahlreiche andere Propagandasendungen dazu dienen, die offenbar in großen Teilen durch die militärischen Misserfolge Russlands enttäuschte und verunsicherte Bevölkerung auf größere persönliche Entsagungen und Opfer vorzubereiten:

„Wir tun nichts! Wie warten auf den Oberbefehlshaber. Der Rest wird sich wohl hinter seinem Rücken verstecken? Wo bleibt eine Deklaration der Duma? Wo bleibt eine Deklaration des Außenministeriums? Was geht hier eigentlich vor? Der russische Soldat wird seinen Auftrag erfüllen, aber um welchen Preis? Wo sind die Vorbereitungen für die Mobilmachung? Wo bleibt die Schulung der Zivilverteidigung? Wo bleibt die Schaffung der Bürgermiliz?“

Schließlich kehrte Solowjow zu seinem Lieblingsthema zurück und behauptete, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis die Nato den Ukrainern taktische Atomwaffen liefere. „Ich glaube, dass der Einsatz taktischer Atomwaffen unvermeidbar ist. Die Frage lautet nur, wer das zuerst tut: wir oder sie. (Robert Stefanicki: Kremlpropagandisten verzweifelt: Berlin, Paris, Madrid, London, Washington sollten brennen! In: Gazeta Wyborcza online, 30.01.2023)

Unabhängig davon, wie ernst dieses unverantwortliche und zynische atomare Säbelrasseln der Kremlführung und ihrer in Szene gesetzten Propagandisten mit der unverhohlenen Aufforderung zum Völker- und Menschheitsmord von westlichen Militärexperten und Führungspolitikern in Nato und EU sowie in den Zivilgesellschaften des Westens bewertet wird, dürfte angesichts dieser seit langem betriebenen antiwestlichen und antieuropäischen Feindpropaganda klar sein, dass seriöse Friedensverhandlungen mit Russland derzeit kaum möglich sind und zukünftig nur aus einer Position der Stärke geführt werden sollten.