von Mariella Scheer
Am Sonntagabend nach der Landtagswahl im Saarland liefen die Sozialen Medien nicht ganz so heiß wie nach der amerikanischen Präsidentschaftswahl oder dem Brexit-Referendum. Das sagt vielleicht schon genug aus über das Interesse der Deutschen an der Politik. Es ist ja auch viel einfacher, sich darüber zu echauffieren, wie es anderswo läuft, als eine Debatte mitzugestalten, in der es auch um die eigene Zukunft, Verantwortung oder, Gott bewahre, Probleme und Fehler geht. Immerhin war der Hashtag #ltwsaar17 auf Twitter auch nicht gänzlich unbespielt. Aber was bekam man dort zu lesen?
Mein Eindruck war, dass es zwei hauptsächliche Themenblöcke gab. Der erste war Martin Schulz gewidmet und dekonstruierte den mühsam aufgebauten Kult um den Kanzlerkandidaten der SPD mit zahlreichen Memes und gehässigen Bemerkungen. Am beliebtesten war das Bild eines Zuges mit Schulz‘ Konterfei auf der Lok, der gegen eine Wand fährt. Das zweite bestimmende Thema war der an dieser Stelle zumeist positiv bewertete Einzug der AfD in den saarländischen Landtag, vorrangig in Verbindung mit Jubelrufen über das Scheitern der Grünen. Auch hier war es neben einem eigenwilligen so genannten Patriotismus hauptsächlich Häme, die zum Ausdruck kam. Inhaltliche Kommentare über Wahlprogramme, Mehrheitsverhältnisse oder Koalitionsmöglichkeiten blieben aus. Vielleicht ist es naiv und illusorisch, sich in diesen Medien sachliche und konstruktive Debatten zu erhoffen. Gleichzeitig hat mich die Eindimensionalität doch sehr bestürzt. Von Meinungsvielfalt gab es jedenfalls keine Spur.
Bemerkenswert ist unabhängig von den Inhalten aber die Rhetorik, die auf Twitter zum Tragen kommt. In vollem Ausmaß ist mir das zum ersten Mal im Nachgang der Präsidentschaftswahl in Österreich aufgefallen. Da gab es Stimmen, die nach dem Sieg Alexander van der Bellens das Ende Österreichs beschworen, in ihrem Leben keinen Sinn mehr sahen und den Untergang der Zivilisation prophezeiten. Hofer sei die einzige, die letzte Hoffnung gewesen. Mich befremdete das entsetzlich. Aber dann stellte sich mir die Frage, ob im umgekehrten Fall nicht das andere Lager mit den gleichen Worten die gleichen Aussagen getätigt hätte. So auch bei der Wahl im Saarland: Wäre die AfD an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert und die Grünen mit 6% in den Landtag eingezogen, hätten dann die gleichen Tweets im Netz gestanden, nur von anderen Verfassern?
Mariella Scheer ist wissenschaftlich-pädagogische Mitarbeiterin im GESW.