[mg] Die religiöse Vielfalt Europas ein ebenso großer Schatz wie seine kulturelle Diversität. Sie zu erkennen, zu verstehen und sie zu fördern trägt dazu bei, ein tolerantes Miteinander im Sinne der Menschenrechte in Europa zu stärken und die europäische Integration auf lokaler, regionaler und globaler Ebene weiter voranzutreiben. Derzeit entstehen im GESW Projekte im Bereich der interreligiösen Bildung, die in unserem Hause natürlich als Teil der politischen und vornehmlich der interkulturellen Bildung begriffen wird. Wir freuen uns, dass unser entsprechender Antrag bei Erasmus Plus für eine deutsch-bosnisch-rumänische Jugendbegegnung angenommen worden ist und wir hierfür Förderung erhalten werden.
Das Zusammenwirken von Politik, Geschichte und Religion zeigt sich nicht zuletzt in gesellschaftlichen Ressentiments und Vorurteilen: Gerade in der Debatte um die deutsche Asylpolitik und die Integration geflüchteter Menschen werden oftmals nationale bzw. ethnische und religiöse Zuschreibungen miteinander vermischt; und unter dem Oberbegriff „des“ Islam wird eine homogene Identität konstruiert, welche die verschiedenen kulturellen Herkünfte ebenso wie die zahlreichen konfessionellen Unterschiede innerhalb des Islam außer Acht lässt. Vor dem Hintergrund dieser radikalen Vereinfachung und Generalisierung gelingt es dann, „den“ Islam als Bedrohung für eine deutsche „Leitkultur“ zu stilisieren. Gleichzeitig wird Diskriminierung von verschiedenen Gruppen durch Religion legitimiert, etwa die der LGBTQ-Community durch strenggläubige Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit.
Solcherart entstehenden Diskriminierungen kann eine politische Bildung entgegenwirken, die sich die Wechselwirkungen von Politik und Religion in ihren historisch gewachsenen Dimensionen zum Gegenstand nimmt.
Aus diesem Grunde planen das GESW und die bosnische Organisation Dinara Forum – Dinara l’Atenau in Kooperation mit der rumänischen Organisation Puzzle OptimEast eine internationale Jugendbegegnung mit zwei Aktivitäten, jeweils eine in Deutschland und eine in Bosnien und Herzegowina.
Die erste Begegnung wird vom 24. Februar bis 04. März 2018 im GESW in Vlotho stattfinden. Sie beschäftigt sich
- mit Deutschland als Einwanderungsland und dem gesellschaftlichen Zusammenleben von Christ*innen und Muslim*innen
- mit der politischen Brisanz der Asylpolitik vor dem Hintergrund jüngster Zuwanderung und der Rolle der Religion in diesem Diskurs
- mit Geschichte und Gegenwart religiöser Minderheiten in Deutschland, namentlich Islam, Judentum und Orthodoxie
- mit religiös bedingter Diskriminierung in Geschichte und Gegenwart, namentlich mit Antisemitismus und Islamophobie
- mit der Geschichte des Christentums in Deutschland, insbesondere der Reformation, und mit der christlichen Ökumene in Deutschland heute
- mit der Rolle kirchlicher Institutionen in der demokratischen Gesellschaft, in diesem Zuge auch mit Widerstandsbewegungen in der DDR
Die zweite Aktivität findet vom 31. März bis 09. April 2018 in Kljuc in Bosnien und Herzegowina statt und setzt sich auseinander
- mit Bosnien und Herzegowina als einer multireligiösen, multiethnischen Gesellschaft und dem Zusammenleben von katholischen und orthodoxen Christ*innen und Muslim*innen
- mit dem Zusammenhang von Religion und Ethnie und den Auswirkungen auf die Gesellschaft in Geschichte und Gegenwart, insbesondere im Hinblick auf die Balkankriege der 1990er Jahre
- mit dem Einfluss der Religion auf politische Entscheidungen auf kommunaler, kantonaler und nationaler Ebene
- mit religiöser Praxis in einer postsozialistischen Gesellschaft
- mit der Entstehung der Gesellschaftsstruktur in Bosnien und Herzegowina und der Geschichte der Kirchen und des Islam auf dem Balkan
In Deutschland und in Bosnien und Herzegowina ist das Zusammenleben von Angehörigen verschiedener Glaubensgemeinschaften eine gesellschaftliche Realität, die die politische Sphäre stark beeinflusst und öffentliche Debatten befeuert. Der Titel des Projekts „Devotional Humans“ verweist darauf, dass auch Angehörige verschiedener Glaubensgemeinschaften immer zu allererst Menschen sind. Sich mit Glauben und Religion vor dem Hintergrund der Menschlichkeit und damit auch der Menschenrechte auseinanderzusetzen, ist das Ziel der geplanten Begegnung.
Die Jugendbegegnung trägt dazu bei, dass die Teilnehmer*innen Religion als einen gesellschaftlichen Entscheidungsfaktor in ihrer eigenen politischen und kulturellen Lebenswirklichkeit begreifen. In diesem Bewusstsein können sie sich für einen interreligiösen Dialog einsetzen, der in ihren Heimatregionen das Zusammenleben bereichert und darüber hinaus die europäische Integration befördert. Sie erweitern ihren persönlichen Horizont, werden befähigt, sich gesellschaftlich zu engagieren und motiviert, sich mit der Vielfalt der Glaubenswelten in ihrem nahen und fernen Umfeld auseinanderzusetzen..
All dies geschieht mit Methoden der non-formalen Bildung. Den Jugendlichen stehen Workshops, Selbsterfahrungen, Reflexionszeiten und Besuchstermine offen, im Rahmen derer sie sich sowohl in der Gruppe als auch individuell mit dem eigenen Wertesystem und ihrer Rolle in der Gesellschaft auseinandersetzen können. Dabei besteht kein Leistungsdruck, sondern vielmehr der Anspruch, sich mit Verstand und Gefühl einem Thema zu widmen und die Erkenntnisse für das eigene Leben nutzbar zu machen.
Teilnehmende sollen zwischen 18 und 26 Jahre alt sein und aus Deutschland, Bosnien und Herzegowina und aus Rumänien stammen. Dabei sollen das Christentum, der Islam und das Judentum in ihren verschiedenen konfessionellen Richtungen in der Gruppe ebenso repräsentiert sein wie Menschen, die sich als Atheisten oder Agnostiker sehen. Die Begegnung ist offen für Angehörige aller Glaubensrichtungen und profitiert umso mehr, je größer die Vielfalt in diesem Bereich ist.
Alle Informationen zur Teilnahme und zum Anmeldeverfahren sind dem Programm zu entnehmen.