In wessen Verantwortung lieg die politische Bildung?

von Mariella Gronenthal

Bereits im Dezember berichtete ich an dieser Stelle vom Verhältnis außerschulischer und schulischer politischer Bildung, und zwar in meiner Nachschau zur Jahrestagung der Transferstelle für politische Bildung. In der letzten Woche besuchte ich daran anschließend eine Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung unter dem Titel „Populismus, Fake News, Lügenpresse – Herausforderungen politischer Bildung an Schulen“. Während die erste Konferenz sowohl inhaltlich als auch vom Publikum her den Fokus klar auf die außerschulische Bildung legte, war am vergangenen Donnerstag der Schwerpunkt eindeutig schulisch gelegt. Das hat einige neue Aspekte aufgeworfen.

Die beiden im Programm angekündigten Vortragenden waren kurzfristig durch andere Rednerinnen ersetzt worden. So stellte zunächst Valerie Lange die Ergebnisse einer Studie des Netzwerks Bildung der FES vor, die durch Befragung der Kultusministerien einen Statusbericht über die schulische politische Bildung in Deutschland abzugeben sucht. Das entsprechende Paper von Frau Lange war den Konferenzteilnehmenden bereits im Vorfeld zugegangen. Dass ich es bereits gelesen hatte, war vielleicht mein Fehler. Ärgerlich war es aber doch, dass dazu und zum Folgevortrag von Dr. Gabi Elverich vom Otto-Suhr-Institut nur insgesamt drei Fragen zugelassen wurden. Ich konnte meine nicht mehr stellen und zeichne sie deswegen hier auf.

Dass in Deutschland zu wenig Politik unterrichtet wird, stellt die Studie eindrucksvoll dar. Besonders relevant scheint dabei zu sein, dass Fächer mit politischen Bildungsinhalten nicht nur häufig unterschiedlich benannt sind, sondern dass Politik vor allem in der Sekundarstufe 1 vor allem im Verbund unterrichtet wird. Während ich gerne bereit bin, anzuerkennen, dass politische Bildung nicht ohne Weiteres mit historischer oder geographischer Bildung in einen Topf geworfen werden kann, so gibt es aber meiner Ansicht nach doch auch Überschneidungen. Nicht ohne Grund hat das Plenum auch, wenngleich nur kurz, über die Rolle der historisch-politischen Bildung innerhalb der politischen Bildung debattiert. Mir ist mithin unklar, welcher Begriff „politischer Bildung“ angesetzt wird. Zielt politische Bildung nämlich tatsächlich auf „politische Mündigkeit“, wie es der Text deklariert, so ist doch der Geschichtsunterricht ein gleichsam unersetzlicher Raum der politischen Bildung. Gleiches kann etwa für den Erdkunde-, den Ethik- oder Philosophieunterricht und bisweilen auch den Religionsunterricht gelten, wenn er sich mit politischen Fragen wie z.B. Asyl oder Umweltschutz beschäftigt.

Besonders dringlich lag mir in diesem Zusammenhang auch die Frage nach den Lehrkräften auf der Seele. Die Studie bestimmt mit einigermaßen erschreckenden Zahlen den fachfremden Unterricht in der politischen Bildung. In Nordrhein-Westfalen wird demnach

[…] das Fach Politik in der Hauptschule zu 85,6 Prozent fachfremd unterrichtet, in der Sekundarschule zu 81,7 Prozent, in der Realschule tzu 62,7 Prozent, an der Gesamtschule zu 64,7 Prozent und an den Gymnasien zu 27,2 Prozent. (Lange, S. 5)

Auf der Tagung wurde hier mündlich ergänzt, dass es sich bei Fachlehrkräften um solche handelt, die Politik oder Politische Bildung studiert haben. Wenn man einen Blick in die außerschulische politische Bildung wirft, dann besteht mein subjektiver Eindruck darin, dass die meisten Einrichtungen im Netzwerk des GESW in erster Linie Pädagog*innen beschäftigen, nicht aber Politikwissenschaftler*innen. Das Studienwerk selbst beschäftigt derzeit im Seminarbereich einen Wirtschaftswissenschaftler, eine Literaturwissenschaftlerin und eine Historikerin mit Politik im Nebenfach. Ich behaupte, dass wir gute politische Bildungsarbeit leisten. Die Studie suggeriert aber, dass fachfremder Unterricht einen Qualitätsverlust bedeuet. Daraus folgt für mich die ganz grundsätzliche Frage danach, wie politische Bildner*innen – in und außerhalb der Schule gleichermaßen! – optimal ausgebildet sein müssen. Ist die Erziehung zur „politischen Mündigkeit“ nicht ein grundsätzlich interdisziplinäres Feld?

Dieser Ansatz wie auch der ganze Konferenztag hat mir vor allem eines nochmals deutlich gemacht, und zwar dass die Arbeit der außerschulischen politischen Bildung in den Schulen zu wenig bekannt ist. Dabei müssten Schulen und außerschulische Träger in Zeiten, die einen Konferenztitel „Populismus, Fake News, Lügenpresse“ erfordern, mehr denn je an einem Strang ziehen, um politisch mündige Bürger*innen zu erziehen. Wenn wir uns über unsere Ressourcen und unsere Methoden intensiver austauschen und stärker zusammenarbeiten würden, wäre das ein unwahrscheinlicher Gewinn für die politische Bildung. Viele Lehrer*innen – auch Politiklehrer*innen! – wissen aber gar nicht um die vielfältigen Möglichkeiten der Kooperation. An diesem Dilemma hat sich für mich auch nach der Konferenz der FES leider wenig geändert.

Mariella Gronenthal ist pädagogisch-wissenschaftliche Mitarbeiterin am GESW. Sie hat weder Politik noch Politische Bildung, sondern Vergleichende Literaturwissenschaft studiert.