Dr. Gerhard Schüsselbauer
Die Weltgesundheit ist ein globales öffentliches Gut! Chancengerechtigkeit, offener Marktzugang und Gesundheitskommunikation müssen Eckpfeiler der Weltgesundheitspolitik sein! So sollte diese normative Forderung in Wirklichkeit auch in Zeiten der Covid-19-Pandemie verstanden werden. Nur die konsequente Befolgung der Prinzipien, die für öffentliche Güter gemeinhin gelten, tragen zu einer nachhaltigen Lösung bzw. Eindämmung des weltweiten Pandemiegeschehens bei. Die Nichtausschließbarkeit/Unteilbarkeit sowie die Nichtrivalität sind fundamentale Grundpfeiler des Verständnisses eines globalen öffentlichen Gutes. Kein Individuum oder keine regionale, ethnische oder religiöse Gruppe darf vom Genuss dieses öffentlichen Gutes ausgeschlossen werden.
Gleichzeitig zeigt die Welt der Knappheit und des Mangels, dass es in Wirklichkeit um machtbeherrschende Positionen in der Produktion und Verteilung von Impfpräparaten geht. Aufgrund der rasant angestiegenen Mobilität in der Weltbevölkerung ist es ein Trugschluss, zu glauben, lokale oder regionale Konzepte würden zur Eindämmung einer solch verheerenden Weltpandemie wie seit dem Ausbruch des Sars-Cov2-Erregers und dessen Mutanten geeignet sein. Unser Weltwissen über das Pandemiegeschehen schreitet zwar mit großer Geschwindigkeit voran, die Dispersion des Wissens und vor allem geeigneter Maßnahmen hinken allerdings hinterher.
In weniger entwickelten Ländern kommen neben den alltäglichen Sorgen um Ernährung, Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsvorsorge jetzt noch die massiven Einschränkungen durch die Covid-19-Pandemie hinzu. Es muss jedoch in einem kollektiven Interesse auch hochentwickelter Länder und Räume liegen, weniger entwickelte Länder an den technologischen Entwicklungen teilhaben zu lassen. Hierbei geht es nicht um die investitionshemmende und forschungsfeindliche Aufhebung des Patentschutzes, sondern um gezielte Programme zur raschen Steigerung und Verteilung des Angebotes an Impfpräparaten. Das weltweite Programm „Covax“ ist zwar ein erster guter Ansatz, echte Entwicklungshilfe ist in diesen dramatischen Pandemiezeiten aber eine breit angelegte und effektive Gesundheitspolitik für weniger entwickelte Länder. Globale Gesundheitspolitik ist daher auch ein essentieller Baustein einer wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik. Nach vielen Jahren des kontinuierlichen Aufschwungs erfahren die meisten Länder Afrikas nun 2021 erstmals eine schrumpfende Wirtschaftsleistung. Diese Entwicklung kann fatale Folgen im Hinblick auf den Migrationsdruck haben.
Gesundheit und globaler Wandel sind vor allem durch transnationale Faktoren wie die makroökonomische Entwicklung, die Verschuldung ärmerer Länder, Handelsströme und auch den Tourismus als weltweit größten Wirtschaftssektor gekennzeichnet. Aus den globalen Entwicklungen und auch Fehlern der AIDS-Bekämpfung seit dem Ausbruch des HI-Virus in den 1980er Jahren lassen sich viele interessante Rückschlüsse ziehen. Die globale Gesundheitspolitik weist nicht nur einen humanitären Aspekt auf, sondern ist vor allem durch eine sozial- und entwicklungspolitische Dimension der internationalen Kooperation gekennzeichnet. Protektionistische Entwicklungen in der Pandemiebekämpfung müssen überwunden werden, um dem Charakter der Weltgesundheit als öffentlichem Gut gerecht werden zu können. Eine proaktive Entwicklungspolitik und Gesundheitsförderung in weniger entwickelten Ländern ist immer eine Win-win-Situation. Das sollten nationalstaatlich orientierte Regierungen berücksichtigen.