Dr. Zbigniew Wilkiewicz
Die Presserklärung von Olaf Scholz am letzten Dienstag, nach der Unterredung der wichtigsten NATO-Partner mit Präsident Biden war bemerkenswert. Wie schon öfters sprach der Kanzler viel, ohne etwas Substanzielles mitzuteilen. Klar war indessen die Intention. Da Deutschland nicht in einen Krieg mit Russland hineingezogen werden dürfe, wolle man die Ukraine zwar weiter unterstützen, aber nicht mit sog. schweren Waffen.
Man habe Mittel und eine Liste mit Rüstungsgütern zur Verfügung gestellt. Auf dieser deutschen Liste fehlen indes die von der Ukraine erwünschten schweren Waffen, ohne die man den Angriff der Russen im Osten und Süden nicht wird standhalten können.
Nach dieser Presseerklärung, die ob ihrer Unklarheit im In- und Ausland mit Befremden aufgenommen wurde und auf heftige Kritik stieß, kündigte dann die Verteidigungsministerin Lambrecht den sog. Ringtausch mit Slowenien an. Das Land erhält deutsche Panzer und gibt einen Teil seiner T-72 an die Ukraine weiter. So liefert Deutschland nicht direkt schwere Waffen und bleibt der vom der SPD-Kanzler vertretenen Linie treu.
Im Spiegel-Interview unter dem etwas reißerischen Titel „Wovor haben Sie Angst, Herr Scholz?“ vom 23.04.2022 blieb der Kanzler ähnlich vage, er hob allerdings deutlich hervor, dass unbedingt zu verhindern sei, dass die NATO zur Konfliktpartei wird, da dann ein nuklearer Krieg mit Russland drohen könnte. Sicher steht Scholz mit dieser Einsicht nicht allein, sie wird von allen NATO-Partnern geteilt und es wird entsprechend gehandelt.
Allerdings liefern etliche dieser Partner seit geraumer Zeit schweres Gerät an die Ukraine, da man zum Ergebnis gekommen ist, dass das Land ohne solche Waffen gegen den russischen Aggressor mittelfristig chancenlos ist. Mit der aktuellen Ankündigung der russischen Kriegsziele, die jetzt nicht nur den Donbass, sondern den gesamten Süden umfassen, wodurch die Ukraine vom Schwarzen Meer abgeschnitten werden soll, wird deutlich, welche Rolle dem Land aus russischer Sicht zukommen soll. Sollte man nicht in der Lage sein, das ganze Land zu okkupieren, so will man es doch so nachhaltig zerstören und wirtschaftlich schädigen, dass es nicht mehr überlebensfähig ist. Den Exodus von Millionen von Ukrainern/innen hat man da wohl schon eingepreist.
Es kann nicht wundern, dass man angesichts dieser Kriegsziele in der Republik Moldau höchst beunruhigt ist. Sicherlich auch im NATO-Land Rumänien. An dieser Stelle scheint es überflüssig zu wiederholen, dass die Ukraine seit nunmehr zwei Monaten im wahrsten Sinne des Wortes um ihre pure Existenz kämpft. Ohne die militärische Unterstützung der USA, Kanadas und der Briten hätte das Land diesen Kampf wohl schon verloren. Und hätten sich alle EU-Länder so zögerlich verhalten wie es die Bundesrepublik getan hat, ebenfalls.
Inzwischen hat sich auch Ex-Kanzler Schröder (SPD) zu Wort gemeldet. Mit zwei bemerkenswerten Aussagen: Erstens, er werde von seinen Aufsichtsratsposten bei Gazprom erst dann zurücktreten, wenn kein russisches Gas mehr fließe und zweitens, das Massaker von Butscha müsse untersucht werden, er könne sich aber nicht vorstellen, dass Putin dazu den Befehl erteilt habe.
Die erste Aussage ist so eindeutig, dass man sie nicht zu kommentieren braucht.
Dass das Massaker von Butscha sicherlich untersucht werden muss, am besten durch ein internationales Expertenteam, ist natürlich richtig. Dass Putin aber als oberster Kriegsherr die Soldaten, die in Butscha „tätig“ waren, unlängst hoch dekorieren ließ und seine Kriegspropaganda die aberwitzige Behauptung verbreitet, Butscha sei von den Ukrainern inszeniert worden, scheint den Ex-Bundeskanzler nicht zu stören. Auf jeden Fall hat die Männerfreundschaft zwischen den beiden Bestand. In der Causa Schröder vermisst man weiterhin eine entschiedene Reaktion aus den Reihen der Sozialdemokraten.
Und auch Manuela Schwesig scheint überzeugt zu sein, dass der Skandal um ihre „Umweltstiftung“ schon von selbst abebben dürfte. Schließlich – und da hat sie allerdings recht, wurde ihr Engagement für Nord Stream II in Mecklenburg-Vorpommern von einer breiten parlamentarischen Mehrheit getragen. Allerdings wäre ein Untersuchungsausschuss, in dem die Einflussnahme von Gazprom auf das Zustandekommen und den Stiftungszweck dieser „Umweltstiftung“ etwas genauer ausgeleuchtet würde, wünschenswert.
Insgesamt entsteht der Eindruck, dass sich alle drei prominenten SPD-Politiker in Sachen Außen- und Energiepolitik gegenüber Russland nichts vorzuwerfen haben. Das ist angesichts der Tatsache, dass man die Energieabhängigkeit von Russland maßgeblich vorangetrieben hat und auch nicht bereit war, nach der Besetzung der Krim (2014) umzusteuern, sehr erstaunlich.
Natürlich befand man sich in der Großen Koalition in bester Gesellschaft. Es ist bezeichnend, dass nun der Erzrivale der beredt schweigenden Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel, Friedrich Merz, fordert, dass man die deutsche Außen- und Verteidigungspolitik der letzten zwanzig Jahre genau werde aufarbeiten müssen. Da darf man ja gespannt sein!