Dr. Zbigniew Wilkiewicz
Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki ist am 15.1.2023 zu einem Kurzbesuch nach Berlin gereist, um den Druck in Sachen Lieferung von Leopard 2-Panzern an die Ukraine auf den scheinbar noch immer zögernden Bundeskanzler Scholz zu erhöhen. Auf dem heute anstehenden Weltwirtschaftsforum in Davos will der polnische Präsident Andrzej Duda die Lieferung dieser Kampfpanzer zum Thema machen. Jüngst erfolgte die Ankündigung der Briten, mit der Lieferung ihrer 14 Challengers und anderem schweren Geräts schon demnächst beginnen zu wollen. Gleichzeitig gibt eine überforderte Christine Lambrecht ihr Amt als Bundesverteidigungsministerin auf und erzwingt damit eine äußerst schwierige Rochade in einem Ministerium, das in den letzten Jahren einem ungeliebten Schleudersitz gleichkam, in Kriegszeiten aber nun eine eminente Bedeutung gewonnen hat. Nach der geradezu absurd wirkenden Puma-Affäre folgt nun die Ankündigung, dass Rheinmetall Leopard 2-Panzer erst bis Anfang nächsten Jahres flottmachen könnte. Wie soll man dies alles nach fast einem Jahr Krieg in der Ukraine bewerten?
Nicht zuletzt der „Neujahrsgruß“ von Christine Lambrecht hat fassungslos gemacht und das Fass zum Überlaufen gebracht. Sicherlich hat die NZZ recht, wenn sie schreibt, dass sich Olaf Scholz keinen weiteren „Rohrkrepierer“ in diesem Ressort leisten dürfe. Angesichts des am kommenden Freitag anstehenden Treffens in Ramstein wird die fällige Nachfolge sicher geregelt sein, zumal es in erster Linie um die Lieferung von Kampfpanzern deutscher Bauart gehen wird, unabhängig davon, ob Deutschland selbst liefert oder anderen europäischen Staaten, die im Besitz dieses Geräts sind, die Erlaubnis zur Auslieferung „ihrer“ Leos erteilt.
Darüber wird im Übrigen seit Monaten ergebnislos gestritten. Vorstöße deutscher und europäischer Politiker/innen blieben bisher ungehört. Nach Ramstein wird sich das ändern müssen, wenn man von Seiten der westlichen Verbündeten die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine erhalten will.
Da sich Russland auf einen langen Abnutzungskrieg vorbereitet (die Mobilisierung weiterer Freiwilliger, Wehrpflichtiger und krimineller Söldner läuft unentwegt), wird sich auch der „kollektive Westen“ in Abstimmung mit der ukrainischen Führung auf eine Art militärische Langzeitstrategie einigen müssen. Die Ramstein-Treffen werden wohl zu einer festen Institution werden.
Bedauerlich ist aus heutiger Sicht, dass sich die Bundesregierung nicht bereits vor einigen Monaten dazu durchgerungen hat, Rheinmetall den Auftrag zur Instandsetzung der dort abgestellten Leopard 2-Panzer zu erteilen. Natürlich nicht um zu eskalieren, sondern um vorbereitet zu sein und um Putin effektiver abzuschrecken. So ist viel Zeit verstrichen und man müsste nun, wollte man eigene Leoparden liefern, auf die eh schon mageren Bestände der Bundeswehr zurückgreifen.
Das Ganze erinnert in fataler Weise an die Diskussion um die Lieferung von Schützenpanzern vom Typ Marder, die nicht nur in Deutschland lange als Tabu galt. Sie kommt nun doch zustande, weil Frankreich kürzlich vorpreschte und die USA mit Deutschland nachzogen. Jetzt wurde etwas möglich, was zuvor als nicht machbar kommuniziert wurde. Eine Kehrtwende, erzwungen durch die sich verändernde Kriegslage, in enger Absprache mit den Verbündeten, mit denen man in permanentem Kontakt und Austausch stehe, hieß es.
Was jetzt wohl nach diesem unabgestimmt wirkenden „Hin und Her“ demnächst in Ramstein zumindest erfolgen sollte, ist die deutsche Genehmigung zur Auslieferung der in mehreren europäischen Ländern zur Verfügung stehenden Leoparden. Das kann ebenfalls lange dauern, denn auch diese Maschinen bedürfen noch einer Instandsetzung. Sollte die russische Militärführung ihre Offensive aber tatsächlich Ende Februar starten, so wird die Ukraine in eine schwierige Lage geraten. Man braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, was dies für den weiteren Kriegsverlauf und die leidgeprüften Menschen in der Ukraine bedeuten würde.
Um sich erfolgreich wehren zu können, braucht die Ukraine deshalb möglichst viele Kampfpanzer aus westlicher, deutscher Produktion – und zwar bald. Die hierfür notwendige Beschleunigung setzt den politischen Willen und die Entschlossenheit des „kollektiven Westens“ voraus, in erster Linie aber des von Frau Lambrecht als „Führungsmacht“ apostrophierten Deutschland und eines Olaf Scholz, der sich für seine Befürworter durch Besonnenheit auszeichnet, von seinen Kritikern, die ihm einen Mangel an Führung und Integrationskraft vorhalten, aber gerne als zaudernder „Zeitlupenkanzler“ charakterisiert wird.
Das schließt gewiss nicht aus, dass immer wieder auf diplomatischem Wege ventiliert werden muss, ob es auf russischer Seite nicht doch die Bereitschaft gibt, angesichts einer prekären wirtschaftlichen Lage (gravierende Auswirkungen des Erdölembargos), der enormen Opferzahlen russischer Soldaten und der fortschreitenden Isolation des Landes einzulenken, die Kriegshandlungen zu beenden und sich aus den besetzen ukrainischen Gebieten zurückzuziehen. Das wäre der erste Schritt zu einem Waffenstillstand und zu seriösen Friedensgesprächen. Im Moment ist die Zeit dafür aber leider noch nicht reif.