Dr. Zbigniew Wilkiewicz
Um den Krieg in der Ukraine, der mit unverminderter Härte und Brutalität im Donbass fortgeführt wird, ist es in den letzten Wochen etwas stiller geworden. Besonders in Deutschland schaut man gebannt auf die anstehenden Wahlen in Sachsen und Thüringen, bei denen die AfD gute Aussichten hat zur stärksten Kraft zu werden und die von Sarah Wagenknecht geführte Ein-Frau-Kaderpartei sich zur Königsmacherin mausern könnte, etwa in einer Koalition mit der CDU. Wagenknechts Position ist inzwischen so stark, dass sie für ein solches Bündnis schon jetzt Vorbedingungen nennt (Einstellung der Militärhilfe für die Ukraine, Aufnahme von Friedensgesprächen mit Putin), die mit landespolitischen Themen und Kompetenzen zwar herzlich wenig zu tun haben, sich aber besonders in Ostdeutschland als überaus populär erweisen.
In der Ukrainefrage ist sich das BSW mit der AfD einig, man steht recht unverhohlen auf Putins Seite und gibt vor, deutsche Interessen zu vertreten. Auch bei der CDU und besonders im linken Flügel der SPD finden sich Unterstützer ähnlicher Positionen, die sich weiterhin hartnäckig der Illusion hingeben, dass man auch mit einem nicht besiegten Russland wie auch immer geartete „Friedensgespräche“ aufnehmen könne. Die kürzlich in etlichen deutschen Medien angeheizte Debatte über eine mögliche ukrainische Urheberschaft der Nord-Stream-Sprengung, lieferte den deutschen „Friedensfreunden“ von AfD und BSW zusätzlichen Sprengstoff, so als wäre es nicht Putin selbst gewesen, der die Bundesrepublik schon lange vor der mysteriösen Sprengung der Pipeline den Gashahn abgedreht hätte. Und so als hätte nicht Putin schon seit langem die russischen Gaslieferungen nota bene mit ausdrücklicher deutscher Unterstützung dazu benutzt, die Ukraine zu erpressen und ganz Europa zu destabilisieren.
Dass dieses Rauschen im Blätterwald just zu dem Zeitpunkt einsetzte, als die Ukraine ihren überraschenden und offenbar erfolgreichen Militärschlag gegen die russische Region Kursk durchführte, mag ein Zufall sein, fällt allerdings mit einer anderen, höchst umstrittenen Entscheidung der deutschen Regierung zusammen, die im In- und Ausland mit Verwunderung, aber auch mit Bestürzung aufgenommen wurde: Die Kürzung der Hilfen für die Ukraine stieß dabei nicht nur bei der oppositionellen CDU auf Kritik, sondern auch bei etlichen Vertretern der Regierungskoalition sowie bei maßgeblichen deutschen Wirtschaftsforschern. Moritz Schularick, Präsident des Kiel Institut für Weltwirtschaft drückt das so aus: „Ich bin einigermaßen fassungslos, dass hier offenbar der Koalitionsfrieden auf Kosten der Ukraine und der europäischen Sicherheit gerettet werden soll.“ Ähnlich empört zeigte sich die Vorsitzende des Sachverständigenrates, Monika Schnitzer, die von einem „fatalen Signal“ an Moskau sprach und auf die für Deutschland entstehenden Folgekosten im Falle einer Niederlage der Ukraine verwies sowie der Ifo-Präsident Clemens Fuest, der „nicht verstehe, wieso die Ukrainehilfe nicht erhöht werde, unabhängig von der Frage, ob Einkünfte aus russischem Vermögen herangezogen werden können“. (Johannes Pennekamp: „Ich bin einigermaßen fassungslos“. In: FAZ, 19.08.23, S.15)
In der Tat erweist sich das Heranziehen der Einkünfte aus dem in den USA und der EU eingefrorenen russischen Vermögen als komplexes Unterfangen, das zwar von den G7-Staaten im Juni dieses Jahres politisch abgenickt worden ist, dessen Abwicklung jedoch an den Besonderheiten des europäischen Einstimmigkeitsprinzips scheitern oder sich erheblich verzögern könnte. Diese Zeit hat die Ukraine aber nicht, und auch der „kollektive Westen“ sollte sich klar machen, was bei einer militärischen Niederlage der Ukraine auf dem Spiel steht.
Sehr empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang der heute (24.08), am Tag der Unabhängigkeit der Ukraine, von Marcus Faber (FDP), Anton Hofreiter (Grüne), Michael Roth (SPD), Norbert Röttgen (CDU) und Oleksij Makeiev veröffentlichte Text, in dem es unter anderem heißt: „Die Kernfrage sollte nicht lauten: Mit welchen Ressourcen halten wir die Ukraine noch eine Weile am Leben, sondern Wie kombinieren wir die Ressourcen am besten, damit die Ukraine gewinnt?“ (Europa muss den Krieg besiegen. In: FAZ, 24.08.23, S. 10)