Dr. Zbigniew Wilkiewicz
Betrachtet man sich die grotesk anmutenden Jubelszenen Donald Trumps und Elon Musks nach dem überwältigenden Wahlerfolg der Republikaner in den USA, der weder weltweit noch in den Vereinigten Staaten so erwartet wurde, so muss man nüchtern konstatieren, dass sich nun auch in den USA ein autokratisch gesinnter und handelnder Führer durchgesetzt hat, der in Zukunft mit einer außerordentlichen Machtfülle ausgestattet sein wird. Allerdings ist der Wiedergänger Trump von einer überwältigenden Mehrheit der Amerikaner/innen demokratisch gewählt worden und verfügt auch im Repräsentantenhaus über eine satte Mehrheit. Im Unterschied zu den beiden anderen starken Männern mit Weltmachtanspruch in Russland und China, die schon etwas länger selbstherrlich herrschen und sich keinen echten demokratischen Wahlen stellen mussten. Trump ist von einer Riege steinreicher erzkonservativer Unterstützer umgeben, die sich allesamt dem MAGA-Projekt verschrieben haben und behaupten, Amerika wieder groß machen zu wollen.
Worin diese wiedererlangte Größe der USA bestehen und mit welchen Mitteln sie erreicht werden soll oder kann, bleibt indessen unklar. Mit Recht wird von Wirtschaftsexperten hervorgehoben, dass eine auf hohen Zöllen beruhende Handelspolitik, die die eigene Industrieproduktion und die Handelsbilanz der USA schützen soll, sich zukünftig als problematisch erweisen könnte, da sie absehbar zu einer Steigerung der Inflation und zu den für die Regierenden so verhängnisvollen Preissteigerungen führen kann. Wirtschaftspolitischer Nationalismus und Isolationismus könnten in die Sackgasse führen. Die Tatsache, dass Trump nun Kanada und Mexiko mit höheren Zöllen droht, um damit die Immigration aus beiden Ländern stärker zu unterbinden, verdeutlicht wie wenig wirtschaftliche Argumente im Spiel sind. Vielmehr handelt es sich um populistische Ankündigungen, die aber bei seiner Wählerschaft gut ankommen dürften.
Die Ankündigung, die illegale Einwanderung durch millionenfache Ausweisungen unterbinden zu wollen, scheint eben so wenig zielführend zu sein. Ihre Umsetzung wird sich als schwierig und zeitraubend erweisen, es sei denn, man setzt geltendes Recht außer Kraft und greift zu rechtsstaatlich zweifelhaften Zwangsmaßnahmen.
Wirtschaftlich betrachtet ist man in den USA gerade auf die illegalen Immigranten/innen, die einen Großteil der Beschäftigten in der Landwirtschaft, im Bauwesen, in der Industrie und bei den Dienstleistungen stellen, angewiesen. Vernünftiger und effektiver wäre es wohl ihren arbeitsrechtlichen Status zu legalisieren. Fakt bleibt allerdings auch, dass die USA -ähnlich wie die EU – dafür sorgen wollen, die unerwünschte Einwanderung, die zu sozialen und kulturellen Verwerfungen führt und von rechten Populisten gnadenlos für ihre politischen Zwecke benutzt wird, entschiedener zu drosseln als das bisher der Fall war.
Auch entspricht die Ankündigung von noch mehr Ausgrenzung und massiven Ausweisungen nicht der Narration vom liberalen „amerikanischen Traum“ von Gleichheit und Freiheit. Die USA konnten sich als klassisches Einwanderungsland gerade wegen des Zustroms motivierter und strebsamer Immigranten aus aller Welt – und der hieraus resultierenden Vielfalt – zu einer Weltmacht entwickeln. Dass dabei die Ureinwohner von den einströmenden Europäern weitgehend ausgerottet, die einzelnen Einwanderergruppen aus Europa, Afrika und Asien im Laufe der Jahrhunderte immer wieder unterschichtet wurden, und dass es eines blutigen Bürgerkriegs bedurfte, um die Sklaverei abzushaffen, steht auf einem anderen Blatt, ist aber hinlänglich bekannt und Gegenstand heftiger Kolonialismus-Debatten.
Der immer wieder genährte mythisch verklärte US-amerikanische Mythos von Gleichheit und Freiheit wird allerdings durch einen von Rassismus und Gewalt geprägten Alltag konterkariert und die besonders im Wahlkampf von Trump propagierte Ausgrenzung und Diskriminierung von als „minderwertig“ titulierten Bevölkerungsgruppen führt ihn ad absurdum.
Nichtsdestotrotz erheben die drei Großmächte, von denen hier die Rede ist, den Anspruch, die besten Lösungen für ihre Länder, aber auch für den Rest der Welt zu haben. Schwächstes Glied in diesem Triumvirat ist das revisionistische Russland Putins. Trotz seiner wirtschaftlichen Schwäche setzte es die mit dem Zwei-Plus-Vier-Vertrag und der Charta von Paris vereinbarte Ordnung von 1990 mit der Annexion der Krim und dem Einmarsch in der Ostukraine spätestens 2014 außer Kraft. In der Charta von Paris, die im November 1990 von allen Mitgliedern der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa unterzeichnet worden war, hatte man sich bekanntlich zu den Prinzipien der Demokratie, der nationalen Souveränität, der territorialen Integrität, dem Recht auf freie Bündniswahl und zur friedlichen Beilegung von Konflikten bekannt. Die westliche (europäische) Unterstützung der Ukraine und Verteidigung der Weltordnung von 1990 erwies sich 2014 als unzureichend. Man setzte auf Diplomatie, handelte zweifelhafte Abkommen aus und kam dem sich immer aggressiver gebärdenden Russland entgegen, um die eigenen Wirtschaftsinteressen zu wahren und den Frieden zu retten. Dadurch sah sich Putin im Februar 2022 ermutigt, in der Ukraine einen brutalen Krieg zu entfachen, verbunden mit dem Ziel, in Ostmitteluropa die einstige Hegemonie wiederherzustellen und die NATO zum Rückzug zu bewegen. Der nunmehr fast drei Jahre währende Vernichtungskrieg Putins gegen die Ukraine und den „kollektiven Westen“ hat allerdings das Gegenteil bewirkt: er führte zu einer Stärkung der NATO und zu einer erheblichen Schwächung des militärischen und wirtschaftlichen Potentials Russlands. Putin hat seine ursprünglichen Ziele bei Weitem nicht erreicht und bleibt militärisch und technologisch auf die Hilfe Chinas, des Irans und Nordkoreas angewiesen.
Als faktischer Vasall des sich ebenfalls in einer profunden Wirtschaftskrise befindenden Reichs der Mitte, das Putin zwar unterstützt, da es an einer Schwächung des Westens (der USA) interessiert ist, befindet sich Putin in einer prekären Situation. Das MRGA-Projekt Putins, das auf brachiale Gewalt und Zersetzung der westlichen Welt setzt, droht – unabhängig vom Ausgang des Kriegs in der Ukraine – zu scheitern. Die mythisch beschworene und propagierte Welt des Russkij Mir hat trotz gleichgeschalteter Medien und anhaltender Gehirnwäsche selbst in Russland nur wenig überzeugte Unterstützer. Allerdings sind die russländischen Gegner des Russkij Mir entweder außer Landes, in Gefängnissen und Lagern, wo sie mundtot oder ganz tot gemacht werden. Das hat in Russland, in dem es in seiner tausendjährigen Geschichte kaum Ansätze für eine Zivilgesellschaft gegeben hat, allerdings Tradition. Die 600.000 russländischen toten und verletzten Soldaten, Täter und Opfer der von Putin initiierten „Spezialoperation“ in der Ukraine, werden mit Verträgen geködert, gut bezahlt und dann bedenkenlos ins Feuer geschickt. Die wenigsten dürften aus Überzeugung kämpfen und sterben, schon gar nicht die von Kim Jong-un geschickten nordkoreanischen Soldaten, die regelrecht verheizt werden.
Dies hindert Russland aber nicht daran, seine revisionistischen Ansprüche tatkräftig mit militärischer Gewalt und einem ausgeklügelten Cyberkrieg fortzusetzen. Damit ist es gelungen, noch vor dem Überfall auf die Ukraine (2014) und dem Beginn der „Spezialoperation“ (2022) nicht nur die Relikte der eigenen Zivilgesellschaft zu zerstören, sondern auch dem Autokraten Lukaschenko in Belarus die Haut zu retten. Inzwischen machen sich die Einflüsse Putins nicht nur im Balkan immer stärker bemerkbar, sondern sie haben auch für eine Zersetzung der Višegrad-Gruppe gesorgt, wo sich in Ungarn und der Slowakei zwei exponierte Russland-Unterstützer mit einer entsprechenden „Friedensnarration“ – sprich einer Kapitulation der Ukraine – hervortun. Der von einem Großungarn träumende Revisionist Orbán steht dabei für ein Land, das sowohl Mitglied der EU als auch der NATO ist. Ähnlich wie sein Amtskollege Fico in der Slowakei verzögert oder torpediert Orbán regelmäßig Beschlüsse, die für die beiden westlichen Bündnisse sicherheitspolitisch existenziell sind. Einen ähnlichen Weg schlägt die von dem Putin unterstützenden Milliardär Bidsina Iwanischwili kontrollierte Regierung Georgiens ein, das den als Ziel in der georgischen Verfassung verankerten EU-Beitritt faktisch außer Kraft gesetzt hat. Die Proteste der Zivilgesellschaft werden dabei nach altem Muster als vom Westen provozierte Einmischung gnadenlos niedergeknüppelt.
Auch der Ausgang der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Rumänien mit dem beachtlichen Erfolg des Chauvinisten und Russlandfreunds Čalin Georgescu sowie der Anstieg des Stimmenanteils der rechten Parteien bei den Parlamentswahlen vom 1. Dezember (ca.28 Prozent), die allesamt EU- und NATO-kritisch sind, kommt einer eindeutigen Schwächung der westlichen Bündnissysteme gleich.
Da befindet sich der dritte starke Mann, Chinas Xi Jinping, trotz veritabler Wirtschaftskrise und einem andauernden Wirtschaftskrieg mit den USA, in einer relativ komfortablen Situation. Immerhin wurde das einstige Weltreich China im 19. Jahrhundert von den europäischen Kolonialmächten brutal ausgebeutet und konnte erst nach einem blutig geführten Bürgerkrieg seine staatliche Unabhängigkeit erkämpfen. Nach einer langen nur in Ansätzen erfolgreichen volksdemokratischen Experimentierphase, der Abermillionen Menschen zum Opfer fielen, schuf es eine effektive staatskapitalistische Wirtschaftsordnung und begann mit seinen Billigprodukten die Welt zu erobern.
Gleichzeitig öffnete es für westliche Technik und Luxuswaren einen gewaltigen Markt und erwies sich als gelehriger Schüler. Inzwischen hat es den Westen in zahlreichen Technologie- und Wirtschaftsbereichen eingeholt und betreibt eine globale expansive, geopolitisch orientierte Wirtschaftspolitik. Nach innen geht man hart gegen Oppositionelle vor, verfolgt ethnische Minderheiten in „Umerziehungslagern“ und perfektioniert einen allumfassenden Überwachungsstaat, der es den Machthabern ermöglicht frühzeitig zu agieren und notfalls zu intervenieren, wenn es zu unerwünschten Reaktionen in der Bevölkerung kommt.
Auch im Reich der Mitte konnte sich ähnlich wie in Russland zu keiner Zeit eine Zivilgesellschaft nach westlichem Muster herausbilden. Auch in China ist man nicht bereit, allgemeine, global geltende Menschenrechte – wie sie für den Westen verbindlich sind – zu akzeptieren. Die chinesische Narration basiert dabei auf den vier großen Bestrebungen, die ein Resultat der einstigen Schwäche und kolonialen Ausbeutung Chinas sind. Hierbei handelt es sich weder um einen populistisch proklamierten MAGA – noch um einen angestaubten MRGA-Mythos, sondern um eine auf langen Atem ausgelegte Zukunftsstrategie, die ohne viel Getöse daherkommt, aber eindeutig an einen globalen Hegemonieanspruch gekoppelt ist, der im Falle von Taiwan auch mit Gewalt umgesetzt werden soll. Letztlich also auch um ein MCGA, das einst auf leisen Sohlen daherkam, dann aber seine Ziele immer aggressiver anzumahnen und durchzusetzen begann und sich durch einen Siegfrieden Putins ermutigt fühlen könnte, ganz ähnlich gegen Taiwan vorzugehen.
China bleibt – ähnlich wie Russland – revisionistisch orientiert. Dabei strebt Peking im Einklang mit Russland konsequent eine Neubestimmung der Machtverhältnisse und eine Neugestaltung der globalen Ordnung an. Hierfür stehen die von autokratischen Regimen propagandistisch ausgeschlachteten Schlagwörter von „Souveränität“ und „Multipolarität“, die als Widerstand gegen und Emanzipation von den hegemonialen Ansprüchen des Westens verwendet und gebetsmühlenhaft in der Staatspropaganda Russlands, Chinas, des Irans, Nordkoreas und ihrer Unterstützerstaaten im globalen Süden wiederholt werden.
Bei den oben genannten vier großen Bestrebungen Chinas handelt es sich um die Kontrolle über umstrittene Grenzregionen wie Tibet und Xingjang, den Aufbau einer erfolgreichen Wirtschaft, um die Führungsrolle der KP zu gewährleisten, den Erhalt der eigenen Souveränität durch den Widerstand gegen die Einmischung anderer Mächte sowie um die Rückgewinnung verlorener Gebiete wie Taiwan und die Inseln im Südchinesischen Meer.
Die damit verbundene Strategie des Machtausbaus ist weder mit den Sicherheitsinteressen der Nachbarländer noch mit dem Anspruch vereinbar, der von den USA vertreten wird. Hieraus resultiert zwangsläufig auch der Konflikt mit den USA und den mit den USA verbündeten Nachbarstaaten. Man versucht der wachsenden wirtschaftlichen und geopolitischen Dominanz Chinas nicht nur im Südchinesischen Meer, das China ganz für sich beansprucht, sondern in zahlreichen anderen Weltregionen entgegenzuwirken. Der Handelskrieg zwischen den USA und China hat sich auch unter Biden ausgeweitet und wird sich nach dem Amtsantritt Trumps im Januar 2025 voraussichtlich noch verschärfen.
Was aber kann der liberale, demokratisch orientierte Westen diesem Macht- und Imagezuwachs aggressiv und expansionistisch ausgerichteter revisionistischer Autokratien entgegensetzen, um sich selbst zu schützen und in Frieden und Freiheit leben zu können? Das hängt wohl in hohem Maße davon ab, wohin sich die einstige Führungsmacht des Westens unter einer Präsidentschaft von Donald Trump hin entwickelt. Sollte die NATO – wie nach 2014 – nicht in der Lage sein, nach einem wie auch immer gearteten Waffenstilstand mit Russland, die Sicherheit der Ukraine und somit eine friedliche und freiheitliche Entwicklung der Ukraine (unabhängig von deren territorialer Ausdehnung) glaubhaft zu garantieren- also Russland nachhaltig abzuschrecken – so bedeutet dies den endgültigen Bankrott der westlichen Werteordnung, nicht nur in Europa.
Eine nachhaltige Abschreckung Russlands kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Ukraine zum vollwertigen NATO-Mitglied wird. Für diese Option sprechen sich gegenwärtig weder die USA noch die führenden EU-Staaten aus. Im Gegenteil, die von der zukünftigen Trump-Regierung ventilierten Pläne zielen in eine andere Richtung. Auch Deutschland und Frankreich, die 2008 maßgeblich dafür sorgten, dass die Ukraine keine realistische NATO-Beitrittsperspektive erhielt, ergreifen diesbezüglich auch jetzt keine Initiative. Bleiben die geopolitisch weitaus stärker bedrohten skandinavischen und baltischen Staaten sowie Polen, die einen NATO-Beitritt der Ukraine befürworten, aber bei ihren Bündnispartnern kaum auf Gehör stoßen.
Alle bisher vorgeschlagenen Sicherheitsgarantien, die unterhalb eines NATO-Beitritts der Ukraine rangieren, bleiben unzureichend, weil sie mangels notwendiger Abschreckung für keinen längerfristigen Frieden sorgen. Russland hält an seinen globalen Kriegszielen fest und wird sie unter Androhung des Einsatzes von Atomwaffen versuchen durchzusetzen, sofern sich die USA – und vor allem Europa – als NATO-Verbündete – dieser Entwicklung nicht entschieden entgegenstellen und der Ukraine eine glaubhafte Überlebens- und Entwicklungsperspektive eröffnen.
Da das transatlantische Jahrhundert mit der zweiten Präsidentschaft Trumps wohl endgültig zu Ende geht, bleibt angesichts der Zerrissenheit der EU nur die Hoffnung auf den atomaren Schutzschild der USA. Und um nicht den letzten Rest an Glaubwürdigkeit zu verlieren und zum Spielball Putins und seiner Verbündeten zu werden, eine viel entschlossenere militärische Unterstützung der Ukraine sowie eine erhebliche Erhöhung der eigenen Verteidigungsanstrengungen. Doch selbst wenn dies gelingen sollte, ist angesichts des in den USA angekündigten Wandels nicht absehbar, ob der globale Westen mit seiner liberalen Ordnung der Achse imperialer revisionistischer Mächte im Osten wird erfolgreich widerstehen können.
Leseempfehlung: Andreas Rödder: „Der verlorene Frieden“. Vom Fall der Mauer zum Neuen Ost-West-Konflikt. München 2024, Heinrich August Winkler: Wie der Frieden verlorenging. Andreas Rödder legt eine glänzende Studie zum Zerfall der Weltordnung von 1990 vor. In: FAZ, 30.11.24, S.L10; Anne Applebaum: Die Achse der Autokraten. München 2024)