Erfolgreicher Peacemaker und Geldeintreiber?

Dr. Zbigniew Wilkiewicz

Nicht erst seit dem gestrigen skandalträchtigen Auftritt von US-Präsident Trump und seinem Adlatus JD Vance verstärkt sich überall in der Welt der Eindruck, dass die aktuelle amerikanische Administration nicht nur die demokratischen Institutionen in den USA schleift und sämtliche staatliche Strukturen zertrümmert, sondern dass ihre Protagonisten – eine kleine Gruppe von steinreichen Oligarchen – in ureigenstem Wirtschaftsinteresse bemüht sind, die bisherige regelbasierte Weltordnung zu zerstören.

Gleichzeitig wird die Realität gegen jede Faktizität und bestehende internationale Ordnung neu definiert und ein bizarrer „Wahrheitsanspruch“ erhoben. Wer sich diesen „Wahrheiten“ eines Vance oder Musk nicht beugt, muss selbst als Verbündeter mit Ermahnungen, Warnungen und Drohungen rechnen. Der selbsternannte Peacemaker Trump hat es dabei sehr eilig, weil er seinem Elektorat die versprochenen Erfolge sofort liefern möchte. Es wird Gefolgschaft und Unterwerfung erwartet, von Partnerschaft ist keine Rede mehr.

Dabei nimmt Trump offenkundig in Kauf, dass durch die Übernahme der imperialistischen und revisionistischen Narration Putins die Ukraine – und damit ganz Europa – in höchstem Maße gefährdet und die Kriegsgefahr erhöht wird. Selbst die beherzten und klugen Auftritte Macrons und Starmers in Washington haben an dieser Haltung Trumps kaum etwas geändert.

Denn Trump versteht ähnlich wie sein Gesinnungsgenosse Putin nur die Sprache der Stärke. Allerdings hat er am gestrigen Abend sowohl in der Rolle des selbsternannten Peacemakers als auch in der Rolle des rowdyhaften Geldeintreibers kläglich versagt. Im weltweit ausgetragenen Wortgefecht mit Selenskyj hat er den Kürzeren gezogen. Der Deal kam nicht zustande, die Ukraine wurde durch die Trump-USA fallen gelassen. Selenskyj ist der tragische Sieger und Held. Er hat Stärke bewiesen und muss sich nun auf die Unterstützung Europas verlassen.

Ob sich diese publikumswirksame Demonstration eigener Schwäche zukünftig für Trump auszahlen wird, ist sehr zu bezweifeln. Das weltweite Image der Trump-USA ist nachhaltig beschädigt.

Im Unterschied zu dem tschechoslowakischen Staatspräsidenten Emil Hácha, der nach dem Münchner Abkommen im März 1938 allein dastand, als er von Hitler nicht ganz so öffentlichkeitswirksam erpresst wurde wie Selenskyj, ist die Ukraine aber weder besiegt noch schwach.

Dies verdeutlicht der untenstehende Artikel von Bartosz T. Wieliński, der in der gestrigen „Gazeta Wyborcza erschienen ist und den ich hier in eigener Übersetzung wiedergebe.

Die Maske ist gefallen. Trump hat gezeigt, auf welcher Seite er steht.

Gazeta Wyborcza 28.02.2025

Bartosz T. Wieliński

Die Ukraine hat bewiesen, dass sie sich nicht brechen lässt

Das größte Problem, das Trump hat, ist, dass sich die Ukraine nicht ergibt. Diese Worte habe ich kürzlich von einem europäischen Diplomaten gehört. Er hat ins Schwarze getroffen. Hätte Selenskyj im Oval Office vor den Forderungen Donald Trumps und seines Stellvertreters JD Vance dankbar und ehrerbietig kapituliert, dann hätte er am Schluss ein Schulterklopfen und ein Erinnerungsfoto erhalten. Trump und sein Helfer Vance hätten dann erklären können, dass man Amerika zu respektieren habe. Danach hätte er Verhandlungen mit Russland begonnen und der gebrochene Selenskyj wäre aus dem Spiel.

Das öffentlich präsentierte Maß an Rowdytum, das in den USA von Trump und seinem Helfer an den Tag gelegt wurde, ist in der zeitgenössischen Geschichte der Diplomatie bespiellos. Tatsächlich?

Das habe ich schon von Putin gehört

Am 14. März 1939, nicht ganz vier Monate nach der berüchtigten Münchner Konferenz, wurde der tschechoslowakische Staatspräsident Emil Hácha nach Berlin einbestellt. Während des nächtlichen Gesprächs in der Reichskanzlei mit Hitler, Göring und Ribbentrop wurde ihm mit Invasion, der Bombardierung von Prag und anderen Grausamkeiten gedroht, falls er sein Land nicht an Deutschland ausliefern würde. Hácha, ein kränklicher älterer Mann, ohne jegliche Unterstützung, unterzeichnete schließlich die Dokumente.

Selenskyj hingegen entschied sich zu kämpfen. Vance sagte zu Selenskyj, dass er keine Soldaten habe. Selenskyj entgegnete ihm, dass Vance in die Ukraine kommen und es sich anschauen solle. Trump forderte Selenskyj dazu auf einen Waffenstillstand zu schließen. Selenskyj entgegnete, dass Putin Waffenstillstände schon 25mal gebrochen habe. Er erklärte Trump diese offenkundige Tatsache wie einem Kind. Als Vance sich einmischte und einwarf, dass Trump auf Diplomatie setze, antwortete Selenskyj, dass Diplomatie gegenüber Russland versage. Schließlich griff der erboste US-Präsident nach einem Argument, das er schon vor einigen Tagen vorgebracht hatte. Dass Selenskyj keine Karten in der Hand halte: „Du spielst mit dem Leben von Millionen. Du spielst mit dem 3. Weltkrieg. Das, was Du tust, ist ein Mangel an Respekt für unser Land.“ „So etwas habe ich schon von Putin gehört“, antwortete Selenskyj trotzig. Vermutlich bekam Hachá etwas Ähnliches von Hitler zu hören.

Die Maske ist gefallen

Das Wortgefecht von Trump und Vance mit Selenskyj wurde vom Fernsehen in die ganze Welt übertragen. Danach gab es noch eine Zugabe, die, wie wir aus inoffiziellen Quellen wissen, noch schärfer ausfiel. Auch sie brachte nichts. Selenskyj wurde aus dem Weißen Haus ausgeladen. Alles weist darauf hin, dass er das Abkommen über den gemeinsamen Abbau von seltenen Erden mit den USA nicht unterzeichnet hat.

Trump hat verloren, weil er es zugelassen hat, dass es überhaupt zu dem Zusammenstoß mit dem ukrainischen Präsidenten gekommen ist. Er bewies, dass er entgegen seiner Versprechungen nicht in der Lage ist, einen Frieden herbeizuführen. Nicht nur nicht in einer Woche, in einem halben Jahr, sondern überhaupt nicht.

Ein Vermittler muss ehrlich und unparteiisch sein. Im Oval Office haben sich Trump und Vance nicht wie Staatsmänner, sondern wie Geldeintreiber verhalten. Sie waren nur an der Plünderung ukrainischer Bodenschätze interessiert. Worin unterscheidet sich dies, wenn es um die allgemeine Philosophie und nicht um die Praxis handelt, vom russischen Umgang mit der Ukraine? Man sieht deutlich, auf welcher Seite der Mieter des Weißen Hauses steht. Die Maske ist gefallen, es gibt keine Illusionen mehr.

Noch ist die Ukraine nicht verloren

Selenskyj wurde vor drei Jahren, als die russischen Einheiten vor Kiew standen, zum Helden der zivilisierten Welt. Inzwischen war sein Stern verblasst. Durch seinen Widerstand gegen die amerikanischen Geldeintreiber wurde er aber erneut zum Helden.

Als Trump die Wahlen gewonnen hatte, schien es, dass die dem Weißen Haus nahestehenden Populisten Aufwind bekämen. Das Gegenteil ist der Fall. In Kanada gewinnt die liberale Partei von Premierminister Justin Trudeau an Stärke, in Deutschland hat die Unterstützung von Elon Musk die rechtsradikale Alternative für Deutschland nicht beflügelt, in der Ukraine schließt die Gesellschaft die Reihen und unterstützt den eigenen Präsidenten.

Umso mehr, da die Ukraine – im Gegensatz zu dem, was Trump und Vance souffliert haben, den Krieg nicht verloren hat. Sie verfügt über Waffen, Soldaten und Geld. Russland ist nicht in der Lage, einen Durchbruch zu erzielen. Die Ukraine wird von Europa und seinen Verbündeten unterstützt.

Am Sonntag kommen in London 16 Staatsführer der EU zusammen (unter ihnen natürlich auch Donald Tusk), die Chefs der EU-Institutionen und der Generalsekretär der NATO. Es war vorgesehen, dass der Premierminister Keir Starmer über seinen durchaus gelungenen Washington-Besuch berichten sollte. Es ist aber offensichtlich, dass in den Gesprächen auch das behandelt wird, was sich zwischen Trump und Selenskyj ereignet hat. Wir werden den von den Amerikanern weggeworfenen Staffelstab übernehmen und uns massiv dafür engagieren müssen, der Ukraine Sicherheit und Frieden zu garantieren. Wir sind als Gemeinschaft zigmal reicher und stärker als Russland. Und wir haben keinen anderen Ausweg.

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