Deutsche Alleingänge?

Dr. Zbigniew Wilkiewicz

„Deutschland hat Warnungen zweier US-Regierungen zu Russland und die Zweifel der EU ignoriert. Handelsbeziehungen lassen sich nicht plötzlich beenden, aber es ist keine gute Nachricht für Europa, dass Deutschland Entscheidungen ohne seine europäischen Partner trifft.“ (El Pais, 31.10.22)

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Kein deutscher Sonderweg!?

Dr. Zbigniew Wilkiewicz

Für viele Deutsche – vor allem Sozialdemokraten – war es nachvollziehbar, dass Bundeskanzler Scholz im Zusammenhang mit der Bewaffnung der Ukraine keine Sonderwege gehen wollte und es vermied, diesbezüglich in die erste Reihe der die Ukraine unterstützenden Verbündeten zu treten. Dabei wurde immer wieder betont, dass ein jeder Schritt gemeinsam mit den Verbündeten in der EU und der NATO abgestimmt werde. Allerdings brachte man nicht nur in Mittelosteuropa und in der existenziell bedrohten Ukraine für diese überaus vorsichtige Haltung Berlins nur wenig Verständnis auf, sondern auch westeuropäische Partnerländer zeigten sich überrascht und übten Kritik.

Daran hat sich trotz einer gewissen Aufweichung der Position des Bundeskanzlers und der Bundesverteidigungsministerin nicht viel verändert, obwohl die Kritik an der deutschen Energie-, Wirtschafts- und Außenpolitik in Gesamteuropa zuletzt eine neue Zielrichtung hat. Es sind die wirtschaftspolitischen Alleingänge, der gerade eben vom Bundestag verabschiedete „Scholzsche Doppelwumms“, aber auch die von Scholz bekämpfte gesamteuropäische Deckelung des Gaspreises, die in den meisten Staaten der EU auf Unverständnis und Verärgerung stoßen. Der französische Präsident Macron hat dies treffend zum Ausdruck gebracht, als er kürzlich hervorhob, dass Deutschland sich in der EU nicht isolieren dürfe. Bezieht man nun noch die gegenwärtig virulente Debatte um die Chinapolitik der Bundesrepublik und der EU mit ein, die sowohl in Deutschland als auch in Europa hohe Wellen schlägt, so kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, als würde sich die deutsche Führung trotz aller anderslautenden Beteuerungen erneut auf einem Sonderweg befinden.

Es ist vor allem Olaf Scholz, der ganz offensichtlich nicht nur im Hamburger Hafen, sondern demnächst auch in Peking an den weit ausgebauten Wirtschaftsbeziehungen zur Volksrepublik festhalten möchte, trotz gut begründeter Mahnungen aus deutschen Ministerien und Sicherheitskreisen und einer entsprechend kritischen bis ablehnenden Haltung etlicher europäischer Staaten. Nicht zuletzt auch der USA, was schon deshalb schwer wiegt, weil es in erster Linie die Vereinigten Staaten im Rahmen der NATO sind, die angesichts des russischen Vernichtungskriegs in der Ukraine und der Bedrohung der westlichen Welt durch das autoritäre China, Europa und Deutschland davor schützen, zu einem Spielball der russischen Geopolitik und des chinesischen Wirtschaftsimperialismus zu werden.

Der illusorische Holzweg vom „Wandel durch Handel“, der trotz besseren Wissens über lange Jahre von deutschen Spitzenpolitikern/innen mit zum Teil fadenscheinigen Begründungen im Alleingang beschritten und besserwisserisch gegen Kritik aus dem In- und Ausland beibehalten wurde, ist von Wladimir Putin brutal in die Luft gejagt worden.

Auf China bezogen formuliert Frank Bösch die Entwicklung dieses Holzweges wie folgt: „Anstatt zu einem „Wandel durch Handel“ in China kam es zu einem „Handel durch Wandel“ in Deutschland. Die Demokratien passten sich oft an Chinas Regeln an. China hat, wie nun auch Russland, die Hoffnung widerlegt, dass Handel und Kooperation langfristig zu einer politischen Liberalisierung führen.“ (Handel durch Wandel. Vor fünfzig Jahren nahmen die Bundesrepublik Deutschland und die Volksrepublik China diplomatische Beziehungen auf. Was als Fernostpolitik im Kontext des Kalten Krieges gedacht war, entwickelte bald eine Eigendynamik. Mit Hilfe des Westens und nicht zuletzt Deutschlands wurde China in kürzester Zeit zu jener Wirtschaftsmacht, die nach innen und nach außen immer repressiver auftritt. In: FAZ, 17.10.2022, S.6).

Merkel und Scholz, alles richtig gemacht?

Dr. Zbigniew Wilkiewicz

Die Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel, bis vor kurzem als mächtigste Frau der Welt gefeiert und lange als beste Kennerin Putins gehandelt, hat sich nach dem russischen Überfall auf die Ukraine recht lange gar nicht in der Öffentlichkeit geäußert. Nun, nach einer kritisch kommentierten Talkshow im Juni dieses Jahres, tat sie es in Lissabon doch sehr explizit und hielt erneut fest, dass sie im Hinblick auf den deutschen Energiedeal mit Russland, dem in der EU sehr umstrittenen Bau von Nord Stream 2, der nach Ansicht zahlreicher europäischer Partner für einen die Ukraine zusätzlich gefährdenden deutschen Sonderweg stand, nichts zu bereuen habe. Auch die Tatsache, dass der Bau von Nord Stream 2 nur relativ kurz nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim beschlossen wurde, scheint die Ex-Kanzlerin selbst im Rückblick nicht zu stören.

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Salamitaktik und Hoffnung

Dr. Zbigniew Wilkiewicz

Ja, nun ist es offensichtlich, da helfen weder die „freiwilligen“ noch die gut bezahlten Profis von Kadyrow und Wagner. Erstere haben schon zu Beginn des Krieges hohe Verluste hinnehmen müssen, letztere füllen ihre Reihen mit Hilfe von „Putins Koch“ seit Wochen mit Schwerkriminellen auf, denen für den halbjährigen Einsatz an der Front viel Geld und die Freiheit versprochen wird.

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Führungsmacht?

Dr. Zbigniew Wilkiewicz

Was macht eine Führungsmacht aus? Wohl, dass sie vorangeht. Kaum erklärt die Bundesverteidigungsministerin Lambrecht Deutschland zur Führungsmacht, gib es schon kritische Stimmen in ihrer eigenen Partei und natürlich auch in der Presse, denn wie betitelt etwa Bertold Kohler seinen Kommentar auf der Titelseite der FAZ vom 13.09.2022 recht lapidar: „Die Furcht der Führungsmacht“. Wonach er dann einige überfällige, aber recht unangenehme Fragen aufwirft, die nicht nur in Richtung Scholz und Lambrecht, sondern an den ganzen Westen gerichtet sind. Dieser sollte sich klar äußern, wozu er die Ukraine eigentlich unterstützt? Wenn Kohler Frau Lambrecht zitiert, dass Deutschland die Führungsrolle in Europa übernehmen müsse und dabei keine Angst zu haben brauche, so ist ihm beizupflichten, wenn er diese starken Worte mit dem Pfeifen im Ampelwalde vergleicht, in dem die Worte geschätzte 50 Prozent größer sind als die Taten.

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Ukraine in der NATO?

Dr. Zbigniew Wilkiewicz

Putin sitzt weiterhin fest im Sattel, schreiben internationale Experten und berufen sich darauf, dass nach wie vor etwa 75 Prozent der Russen/innen fest hinter ihrem Führer stehen. Der rückt weiterhin nicht von seinem Ziel, der Unterwerfung der gesamten Ukraine, ab und gibt sich siegesgewiss. Auch jetzt, nachdem der nördliche und südliche Frontabschnitt der Russen zusammengefallen ist wie ein Kartenhaus, spricht man in Moskau lediglich von einer „Umgruppierung“. Während die russischen Soldaten also mehr oder minder geordnet den „Rückzug“ antreten und den Ukrainern die so dringend benötigten schweren Waffen, in erster Linie zurückgelassene T72 Panzer liefern, tönt man im offiziellen Moskau noch immer, dass sich alles nach Plan vollziehe.

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Russland – ein Terrorstaat?

Zbigniew Wilkiewicz

Bekanntlich bemüht sich der ukrainische Präsident Wolodymir Selenskyj seit Kriegsbeginn darum, die Weltöffentlichkeit davon zu überzeugen, dass Russland international als Terrorstaat eingestuft werden sollte. Zuletzt geschah dies am 29.07.2022, als Selenskyj zum wiederholten Male hervorhob, dass Russland sich „als staatlicher Sponsor des Terrorismus“ betätige.  

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Raketen statt Weizen, Worte statt Ringtausch

Dr. Zbigniew Wilkiewicz

Die Unterschriften unter den beiden Abkommen über den Abtransport der gewaltigen ukrainischen Weizenreserven aus den Schwarzmeerhäfen Odessa, Tschornomorsk und Juschne sowie den ungehinderten, sanktionsfreien Export russischen Weizens haben in den letzten Stunden bei vielen Menschen auf der ganzen Welt, besonders aber bei jenen, die vor einer akuten Hungerkatastrophe stehen, große Hoffnungen geweckt. Die sich quasi abzeichnende Lösung, die nach zähen Verhandlungen der UN und der Türkei mit den Repräsentanten Russlands und der Ukraine zustande kam, ist indes nach nur einem einzigen Tag höchstwahrscheinlich wieder Makulatur. (Reinhard Veser: Der Weg zur heiklen Einigung. In: FAZ, 23.07.22, S. 3)

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Strategische Ziele klar benennen

Dr. Zbigniew Wilkiewicz

Auch die Bundesregierung und der Bundeskanzler werden nicht darum herumkommen, in dem gerade wieder mit besonderer Intensität tobenden Ukrainekrieg ihre strategischen Ziele klarer zu benennen. Bisher hat Bundeskanzler Scholz auf Ambiguität gesetzt, indem er vage Hoffnungen und Erwartungen formulierte. Jetzt ist er ganz verstummt, denn nun droht Putin mit der Einstellung sämtlicher Gaslieferungen und setzt Europa, besonders aber die Bundesrepublik, unter immensen Druck. Die Sorgen werden größer und man wird sich europaweit weiter wappnen müssen. Allerdings war das, was jetzt wahrscheinlich kommt, vorauszusehen.

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Waffenstillstand jetzt?

Dr. Zbigniew Wilkiewicz

Es ist schon beachtlich, wie beharrlich sich prominente deutsche Intellektuelle in einem Abstand von zwei Monaten sehr öffentlichkeitswirksam mit offenen Briefen an den deutschen Bundeskanzler und an die deutsche Öffentlichkeit wenden, um für Gespräche mit Putin und zuletzt für einen „Waffenstilstand jetzt“ zu werben. War der in der „Emma“ abgedruckte offene Brief schon Anlass für eine äußerst lebhafte Debatte, so wurde dem in „Die Zeit“ abgedruckten Text, der wiederum von Juli Zeh, Harald Welzer, Christoph Menke und anderen unterzeichnet wurde, ebenfalls relativ viel Aufmerksamkeit geschenkt. Immerhin erreicht „Die Zeit“ eine breite Leserschaft liberaler Bildungsbürger und verfügt so über einen nicht geringen meinungsbildenden Einfluss in der Mitte der bundesrepublikanischen Gesellschaft. Es ist also nicht nur die NATO-feindliche Linke und die Putin-affine AFD, die die Beschlüsse der Gipfel der EU, der G7 und der NATO, auf denen die Position der Ukraine deutlich gestärkt wurde, kritisieren, sondern es sind namhafte deutsche Intellektuelle, die mit ihrem in „Die Zeit“ veröffentlichten Ruf nach dem „Waffenstillstand jetzt“ dem Kriegstreiber Putin in die Karten spielen.

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