„Kanzler der Einheit“: Aufgeschnappt KW 28

[mg] Die Kontroverse um die Würdigung des Altkanzlers Helmut Kohl in einem Staatsakt – einem europäischen, der stattgefunden hat und auch einem deutschen, der nicht hat stattfinden dürfen – bestimmt die Medien noch, nachdem sein Tod bereits einige Wochen her ist. Dabei spiegeln sich durchaus auch die gespaltenen Meinungen zu Kohl wider, die seine Abgründe und seine Glanzleistungen gleichermaßen thematisieren. Im #aufgeschnappt beleuchten wir heute einige persönliche Erinnerungen. Immerhin hat Kohl in seiner Amtszeit und darüber hinaus fraglos Geschichte geschrieben. So werden nun individuelle Perspektiven auf seine Kanzlerschaft zu wichtigen Zeitzeugnissen.

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Lothar-Kreyssig-Friedenspreis für Dr. Theo Mechtenberg

[mg] Der Ehrenvorsitzende des GESW, Dr. Theo Mechtenberg, wird in diesem Jahr mit dem Lothar-Kreyssig-Friedenspreis ausgezeichnet. Dieser Preis wird vom Evangelischen Kirchenkreis Magdeburg verliehen und ehrt „Personen, Gruppen oder Organisationen […], die sich um Friedens- und Versöhnungsarbeit verdient gemacht haben, besonders im Blick auf jüdische Menschen und auf ost- und südosteuropäische Nachbarn“, wie es auf den Seiten der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland nachzulesen ist. Der untenstehenden Pressemitteilung der EKMD ist auch die Begründung für die Verleihung an Dr. Mechtenberg zu entnehmen, der sich lange Jahre als Dozent in der Bildungsarbeit des GESW und als Vorsitzender unseres Trägervereins verdient gemacht hat. Der amtierende Vorstand und die Belegschaft gratulieren Herrn Dr. Mechtenberg von ganzem Herzen zu dieser überaus verdienten Auszeichnung.

Der 10. Lothar-Kreyssig-Friedenspreis geht in diesem Jahr an den Theologen, Publizisten und Übersetzer Dr. Theo Mechtenberg (geb. 1928) aus Bad Oeynhausen. Versöhnung und der Kampf gegen Antisemitismus sind die zentralen Botschaften des Wirkens von Lothar Kreyssig (1898-1986), dem Gründer der Aktion Sühnezeichen und Namensgeber des Preises.

„Seit über 40 Jahren stellt Theo Mechtenberg seine publizistische Tätigkeit in den Dienst der deutsch-polnischen Versöhnung und Verständigung. Durch seinen persönlichen Lebensweg und mit seinen profunden Kenntnissen zählt Mechtenberg in Deutschland zu den bedeutenden Vermittlern und Interpreten polnischer Geschichte und Kultur sowie aktueller Ereignisse und Entwicklungen in Gesellschaft und Kirche Polens. Das Kuratorium möchte mit der Preisverleihung an Theo Mechtenberg die Beziehungen zwischen Deutschen und Polen erneut ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit rücken. Im Jahr des 500. Reformationsjubiläums trifft das Kuratorium damit eine Entscheidung ganz im ökumenischen und europäischen Sinn“, so Stephan Hoenen, Superintendent des Kirchenkreises Magdeburg und Vorsitzender des Kuratoriums des Lothar-Kreyssig-Friedenspreises, zur Entscheidung der Preisvergabe.
„Die Verständigung zwischen Deutschland und Polen ist kein einmaliger oder gar abgeschlossener Prozess, sondern eine immer neu zu leistende Aufgabe. Dem Versöhnungs-Impuls von Lothar Kreyssig von 1958 werden wir fast 60 Jahre später am besten dadurch gerecht, dass wir ihn in den aktuellen Herausforderungen polnisch-europäischer Beziehungen neu zu bewähren suchen. Angesichts des Konfliktes zwischen national-konservativen Ideologien, die die gegenwärtige Regierung Polens unter Führung der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ zum Maßstab ihres Handelns macht, und den Vertretern einer offenen polnischen Gesellschaft, die auf europäische Integration und Solidarität setzt, stellt uns die deutsch-polnische Nachbarschaft vor neue Aufgaben.“

Die öffentliche Verleihung ist am 11. November 2017 (11 Uhr) in der Magdeburger Johanniskirche. Die Laudatio hält die in Krakau geborene, katholische Theologin Dr. Urszula Pękala, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Institut für Europäische Geschichte in Mainz.

Hintergrund:
Der mit 3.000 Euro dotierte Lothar-Kreyssig-Friedenspreis wird seit 1999 alle zwei Jahre an Personen oder Gruppen verliehen, die sich für die Versöhnung verdient gemacht haben, besonders im Blick auf jüdische Menschen und auf ost- und südosteuropäische Nachbarn. Frühere Träger des Kreyssig-Friedenspreises sind der ehemalige Ministerpräsident Polens, Tadeusz Mazowiecki (1999) oder die Amadeu Antonio Stiftung (2015).

Die Pressemitteilung ist hier auf den Seiten der EKMD zu finden.

Wo liegt Europa?

von Mariella Gronenthal

Als studierte Polonistin bin ich es gewohnt, bei Auskunft über meine Ausbildung meinem Gegenüber ein großes Fragezeichen ins Gesicht zu malen. Schlechter haben es vielleicht nur Bohemist*innen oder Lusitanist*innen, deren Wissenschaftsdisziplinen namentlich noch weniger an den Kulturkreis erinnern, den sie zum Gegenstand haben. Konkretisiert man Polonistik als Wissenschaft der polnischen Sprach und Literatur, geben die Anschlussfragen jedoch häufig erst recht Anlass zur Sorge. „Polnisch?“ fragte einst ein Kommilitone entgeistert. „Aber das spricht doch keiner. Dann lern doch lieber – Dänisch oder so.“

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Wahlkampf zum Lachen: Aufgeschnappt KW 26

[mg] Im Rahmen der Parlamentswahlen im Vereinigten Königreich waren in den Medien einige Gestalten zu entdecken, die zwischen den Anzugträgern und Kostümträgerinnen ungewöhnlich stark hervorstachen. Im Wahlkreis Maidenhead standen neben der Sesamstraßenfigur Elmo auch ein Herr im weißen Anzug, dekoriert mit bunten Orden und einem ungewöhnlichen Hut, sowie eine in schwarz gekleidete Figur mit einer zylinderförmigen Maske, die an Darth Vader erinnerte, entspannt auf der Bühne – nur wenige Meter von Theresa May entfernt. Was hat es auf sich mit diesen skurrilen Erscheinungen?

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Die vielen Gesichter Ungarns – von Viktor Orbán bis zur Gay Pride

von Dr. Gerhard Schüsselbauer

Ungarn steht seit etlichen Jahren mit seiner ultrakonservativen, nationalpopulistischen Regierung mit Viktor Orbán an der Spitze im Fokus der Berichterstattung. Völlig zu Recht wird dabei in der Kritik auf die mangelnde Konsolidierung des demokratischen Spektrums und die Aushöhlung der republikanischen Prinzipien der strikten Gewaltenteilung zugunsten der Exekutive durch die Fidesz-Regierung verwiesen. Einschränkungen der Unabhängigkeit der Justiz gehen einher mit Beschränkungen der Arbeitsweise und Finanzbasis von Nichtregierungsorganisationen sowie der nach wie vor nicht abgewendeten Schließung der renommierten Central European University in Budapest.

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Gefahr von rechts? Aufgeschnappt KW 24

[mg] Die jüngsten Wahlergebnisse aus Frankreich und Großbritannien werden mit vorsichtiger Genugtuung und sichtlicher Erleichterung in der Bundesrepublik zur Kenntnis genommen. Nicht zuletzt das schlechte Abschneiden von Front National und UKiP spielen dabei eine Rolle: Mit dem Bekenntnis zu Europa scheint man also doch Politik machen zu können. In der östlichen Nachbarschaft ist die Lage dagegen keinesfalls entspannt: Die Europäische Union hat schon vor geraumer Zeit Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit Polens und Ungarns angemeldet. Den Polen droht überdies jüngst erneut Ärger mit der EU-Kommission, weil die Regierung angeordnet hat, Teile des letzten europäischen Urwalds Białowieża im Nordosten des Landes abzuholzen. Bislang scheint auch der drohende Entzug von EU-Geldern wenig Eindruck auf die beiden Mitgliedstaaten zu machen.

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Die vielen Facetten von Warschau

von Christiane Glaser

Am 2. Juni um 1:00 Uhr brach unsere zwölfköpfige Gruppe von Studierenden der Universität Bielefeld, aber auch externer Teilnehmer früh morgendlich gemeinsam mit unserem Exkursionsleiter Gerhard Schüsselbauer vom Bielefelder Hauptbahnhof auf. Nach zehn Stunden Fahrt war das Ziel Warschau endlich erreicht. In der polnischen Hauptstadt wollten wir ein vertieftes Verständnis über die Funktionsweise polnischer politischer und juristischer Institutionen und die deutsch-polnischen Beziehungen erlangen.

So suchten wir bereits am Tag der Ankunft die deutsche Botschaft in Warschau auf. Dort erhielten wir von Dr. Lukas Wasielewski nicht nur einen Überblick über die Organisation und Aufgaben einer Botschaft, sondern ebenso über das Berufsbild und die Tätigkeit eines Diplomaten und Botschafters.

Zudem stand im Mittelpunkt der Exkursion die historische Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehung. Diese konnten wir durch einen guten alten Freund unseres Exkursionsleiters, Eryk Krysztofiak, erfahren, der diese Entwicklungen hautnah miterlebte und von den vielen Höhen und Tiefen berichten konnte. Somit beschrieb er uns sowohl geschichtlich wesentliche Ereignisse, die diese Verbindung nachhaltig prägten, aber auch persönliche Erlebnisse, die ihn stark beeinflussten.

Bei einer ausgiebigen Stadtführung konnten wir uns ganz auf Warschau einlassen und die Stadt in all ihren Facetten erleben.

Wichtige Sehenswürdigkeiten und Orte waren z.B. das Museum des Warschauer Aufstandes 1944, der Palast der Kultur und Wissenschaften, das Königsschloss, das Weichselufer, das Warschauer Ghetto-Ehrenmal und das Museum der Geschichte der polnischen Juden sowie die Warschauer Alt- und Neustadt. Die Syrenka, die Meerjungfrau, die das Wahrzeichen Polens darstellt, haben wir auch in voller Größe betrachten können.

Ein bewegendes Ereignis war die tägliche Kranzniederlegung an einer Stätte zum Gedenken an die Opfer des Zweiten Weltkrieges, die wir zufällig miterleben durften, was uns in aller Deutlichkeit zeigte, welche Bedeutung diesen Geschehnissen zugesprochen wird.

Während des Aufenthaltes näherten wir uns auch der polnischen Sprache an und erwarben einen kleinen Wortschatz für den Alltag.

Insgesamt war es eine wunderbare Exkursion, bei der wir nicht nur viel erlebt oder gesehen haben, sondern auch inhaltlich eine ganze Menge mitnehmen konnten an neuen Erfahrungen.

Aber auch kulinarisch wurden unsere Gaumen von der polnischen sowie der Balkanküche erfreut, die uns wohl schmeckte und recht gut sättigte. Besonders beliebt waren die Piroggen, Bigos aber auch die diversen typisch-polnischen Biersorten durften nicht fehlen.

Nach dem Sieg von Legia Warszawa hatten wir die Möglichkeit, die Fankultur in Polen live mitzuerleben, die mit Fangesang und Feuerwerk zelebriert wurde.

Gern möchten wir als Exkursionsgruppe diese Studienfahrt weiterempfehlen und bedanken uns sehr herzlich, dass uns diese eindrucksvolle Fahrt möglich gemacht wurde. Wir sind sicher, dass uns dieser Aufenthalt künftig in Erinnerung bleiben wird und freuen uns darauf, weitere spannende Orte in Europa kennenzulernen.

Christiane Glaser ist Studentin an der Universität Bielefeld. Sie war Teilnehmerin des Programms „Europa intensiv“, das vom GESW in Kooperation mit der Universität Bielefeld durchgeführt wird.

Zum Umgang mit Erdogans Referendum

Ein Kommentar von Manfred Sellmayer

Der Ausgang des Erdogan-Referendums (im #aufgeschnappt bereits auf dem GESW-Blog behandelt) hatte ja einen gewaltigen Sturm der Entrüstung nicht nur im deutschen Blätterwald verursacht: Groß war die Empörung darüber, dass Erdogan diese weitere Maßnahme zur Aushebelung demokratischer Strukturen gelingen konnte. Groß auch die Überraschung darüber, dass die in Deutschland lebenden Türken mit so vielen Stimmen mehr (63 %) für Erdogans „Ermächtigungsgesetz“ votierten als die in der Türkei lebenden (51 %).

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Neue Hoffnung für Europa? Aufgeschnappt KW 19

[mg] Obwohl am Wochenende in Schleswig-Holstein auch eine deutsche Landtagswahl anstand, war der Aufmacher der großen Medien am Abend des vergangenen Sonntags doch dominiert von der Präsidentschaftswahl im Nachbarland: Der Sieg Emmanuel Macrons war eindeutig die wichtigste Nachricht des Tages. Ein kollektiver Seufzer der Erleichterung machte sich Luft, wohl nicht nur hierzulande, sondern auf dem gesamten Kontinent. Mit welchen Schlagzeilen heute die Medien online den Ausgang der Wahl bewerten, fassen wir im heutigen #aufgeschnappt zusammen.

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Schuldfragen – Ein Bericht aus Bosnien

von Mariella Gronenthal

Der Balkan wird über 100 Jahre nach dem Attentat von Sarajevo wieder von den Medien als Pulverfass beschrieben. Der Bosnienkrieg zwischen 1992 und 1995  und der Kosovokrieg von 1998/99 haben die Region nachhaltig erschüttert, und bis heute sind die Spuren deutlich sicht- und fühlbar. Als explosiv haben wir die Stimmung in Bosnien und Herzegowina auf unserer Reise mit dem Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten nicht empfunden. Dennoch fügen sich nach neun Tagen die intensiven Eindrücke und die Erinnerungen an Gespräche zu einem Bild der Zerissenheit.

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